Rz. 89

Gerade im Bereich der Zwangsvollstreckung müssen häufig zahlreiche Dokumente übermittelt werden, da bereits einige Vollstreckungsmaßnahmen vorausgegangen sind. Es stellt sich in diesen Fällen die Frage, ob grundsätzlich jeder Beleg der Zwangsvollstreckung als eigenes Dokument einzuscannen und zu übermitteln, oder aber ein sog. "Konvolut", bestehend aus sämtlichen Vollstreckungsunterlagen (inklusive Vollstreckungsauftrag), als ein einheitliches Dokument ausreichend ist.

Denkbar sind folgende Vorgehensweisen:

ZVA + ggf. Titel-Scan + ZV-Unterlagen = ein einziges elektronisches Dokument (Konvolut)
ZVA = ein Dokument + ZV-Unterlagen + ggf. Titel-Scan als zwei weitere Dokumente (= 2 Dokumente)
ZVA = ein Dokument + jeder ZV-Beleg + ggf. Titel-Scan als jeweils eigenes Dokument (= Vielzahl von Dokumenten)
 

Rz. 90

Das LG Lübeck hat zumindest hinsichtlich der Zulässigkeit des Gesamt-Einzeldokuments anwaltsfreundlich entschieden:

Zitat

"Werden der Zwangsvollstreckungsauftrag und Anlagen (§ 754a ZPO) in einem einzigen elektronischen Dokument zusammengefasst, welches qualifiziert signiert und sodann elektronisch übermittelt wird, so verstößt dies weder unmittelbar noch entsprechend gegen das Verbot der Containersignatur aus § 4 Abs. 2 ERVV (§ 11 Rdn 47 ff)."[66]

Im vorliegenden Fall hatte die Gläubigerin im Juli 2020 bei der zuständigen Gerichtsvollzieherin einen Zwangsvollstreckungsauftrag elektronisch eingereicht und sämtliche Vollstreckungsunterlagen in einer einzigen PDF-Datei übermittelt. Zusammengefasst in dieser PDF-Datei waren sowohl der Zwangsvollstreckungsauftrag als auch der Titel nebst Zustellbescheinigung in Abschrift sowie die entsprechenden Kostenbelege. Der zuständige Anwalt hatte den Vollstreckungsantrag qualifiziert elektronisch signiert. Die zuständige Gerichtsvollzieherin verwechselte hier offenbar die Begrifflichkeiten und lehnte unter Verweis auf § 4 Abs. 2 ERVV die Form der Zusammenfassung in einer einzigen PDF-Datei, die mit qualifizierter elektronischer Signatur versehen war, ab, da sie diese für eine Containersignatur hielt. Eine Containersignatur liegt jedoch dann vor, wenn die gesamte elektronische Nachricht als solche (und nicht wie hier ein einzelnes PDF-Dokument [gleich, wie viele Seiten es auch haben ­mag]) signiert wird. Sie wird deshalb auch "Umschlag"-Signatur bzw. "envelope signature" genannt. Hier handelt es sich aber vielmehr um eine sog. "Einzelsignatur" eines einzigen elektronischen Dokuments. Die Ablehnung der Gerichtsvollzieherin griff die Gläubigerin mit einer Erinnerung an, die vom Amtsgericht zunächst mit Beschluss zurückgewiesen wurde. Offenbar setzte das Amtsgericht schließlich dann noch "eins drauf", indem es auf einmal davon sprach, dass die Zusammenfassung einzelner Dokumente in einer PDF nicht anders zu werten sei als die Übersendung der Dateien in einem ZIP-Container. Gegen den zurückweisenden Beschluss des Amtsgerichts legte die Gläubigerin sofortige Beschwerde ein. Zu Recht führte das Beschwerdegericht aus, dass es sich ja hier eben gerade nicht um mehrere, elektronische Dokumente handelte, sondern vielmehr um ein einheitliches. Somit kommt § 4 Abs. 2 ERVV hier auch nicht zur Anwendung. Das LG Lübeck verwies dabei auf eine Entscheidung des AG Heilbronn[67] in einem ähnlich gelagerten Fall und auf den Willen des Gesetzgebers, der mit dem Verbot der sog. "Containersignatur" vermeiden wollte, dass bei einer vielleicht notwendigen Trennung mehrerer elektronischer Dokumente eine Prüfung der qualifizierten elektronischen Signatur nicht mehr möglich sei. Sofern aber lediglich ein einziges elektronisches Dokument (in sich bestehend aus mehreren Dokumenten) qualifiziert elektronisch signiert wird, ist eine Signaturprüfung technisch nach wie vor möglich. Nach Ansicht des LG Lübeck hält auch der Gesetzgeber die Anbringung einer qualifizierten elektronischen Signatur an ein Anlagenkonvolut wohl nicht für unzulässig.[68]

 

Rz. 91

Der Gesetzgeber hat, da eine etwaige Trennung der Anlagen bei Gericht aufwendig sei, um diese einzeln elektronisch erfassen zu können, allerdings Erleichterung in der Form geschaffen, "dass Anlagen, die Schriftsätzen beigefügt sind, überhaupt keiner qualifizierten elektronischen Signatur mehr bedürfen (vgl. den seit dem 1.1.2020 geltenden § 130a Abs. 2 S. 2 ZPO)."[69]

 

Rz. 92

 

Praxishinweis

Ebenfalls zum 1.1.2020 hat der Gesetzgeber aus der bisherigen Einzahl, dass Schriftsätze und deren Anlagen etc. als "elektronisches Dokument", bisher in § 130a Abs. 1 S. 1 ZPO geregelt, eine Mehrzahl formuliert: "elektronische Dokumente". Aus zahlreichen Gesprächen mit Richtern und auch Vorträgen aus der Justiz ist der Verfasserin dieses Skripts bekannt, dass grundsätzlich die Einreichung von Anlagen als einzelne elektronische Dokumente mit entsprechender Dateibenennung (Klarnamen/sprechende Namen) gewünscht wird, damit ein möglichst einfacher Zugriff auf die entsprechende gesuchte Anlage (z.B. Anlage K44 von K1 bis K139) gelingt. Ob dies für Gerichtsvollzieher gleich...

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