Rz. 27

In den Fällen der Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalls zu beachtenden Obliegenheit ist jedoch immer gesondert zu prüfen, ob der Versicherer eine dem Erfordernis des § 28 Abs. 4 VVG entsprechende Belehrung erteilt hat. Liegen lediglich mündliche Auskünfte des Versicherungsnehmers in einem Telefonat oder eine ergänzende Angabe gegenüber dem vom Versicherer beauftragten Sachverständigen vor, kann es an einer solchen Belehrung fehlen. Zu beachten ist aber auch, dass dem Versicherungsnehmer i.d.R. ein Schadensanzeigeformular zugesandt worden sein wird, in welchem sich eine umfassende Belehrung befindet. Diese wirkt i.d.R. für einen längeren Zeitraum fort,[21] so dass der Versicherer nicht bei jeder sich anschließenden Befragung eine gesonderte Belehrung erteilen muss.[22]

 

Hinweis:

Im Fall eines arglistiges Fehlverhaltens ist der Versicherungsnehmer nicht schützenswert und es bedarf keiner Belehrung über die Folgen einer falschen Auskunft.[23]

 

Rz. 28

Das Belehrungserfordernis entfällt, wenn es sich um eine spontan vom Versicherungsnehmer zu beachtende Obliegenheit handelt, wie die Obliegenheit, sich nicht unerlaubt vom Unfallort zu entfernen.

 

Rz. 29

Muster 16.6: Einwand bei Regress des Versicherers bei unzutreffender Schilderung des Unfalls

 

Muster 16.6: Einwand bei Regress des Versicherers bei unzutreffender Schilderung des Unfalls

_________________________ Versicherung AG

_________________________

_________________________

Schaden-Nr./VS-Nr./Az. _________________________

Schaden vom _________________________

Pkw _________________________, amtl. Kennzeichen _________________________

Sehr geehrte Damen und Herren,

ausweislich der beiliegenden Vollmacht beauftragte mich Ihr Versicherungsnehmer, Herr _________________________ aus _________________________, mit der Wahrnehmung seiner Interessen in der im Betreff genannten Angelegenheit. Anlass zur Beauftragung gibt Ihr Schreiben vom _________________________. Darin machen Sie gegen meinen Mandanten aus Anlass des Schadensfalls vom _________________________ einen Regressanspruch in Höhe von 2.500 EUR geltend. Zur Begründung führen Sie aus, mein Mandant habe durch angeblich falsche Angaben eine Obliegenheitsverletzung begangen. Nach eingehender Prüfung der hier interessierenden Fragen zur Sach- und Rechtslage vermag ich mich der von Ihnen vertretenen Auffassung nicht anzuschließen.

1) Es fehlt bereits an einer vorsätzlichen Falschauskunft. Die Sachverhaltsschilderung meiner Mandantschaft ist in der Sache zutreffend bzw. angesichts des schnellen Verlaufs des Unfallgeschehens liegt zumindest keine bewusste Falschauskunft vor: _________________________.

2) Unabhängig hiervon scheidet ein Regress bereits deshalb aus, weil Ihnen der nach ihrer Meinung zutreffende Sachverhalt bereits bekannt ist und sich eine unterstellte Falschauskunft nicht ursächlich auf Ihre Feststellungen i.S.d. § 28 Abs. 3 S. 1 VVG ausgewirkt hat: _________________________.

3) Und zudem ist darauf hinzuweisen, dass es an einer rechtzeitigen sowie formal und inhaltlich korrekten Belehrung i.S.d. § 28 Abs. 4 VVG fehlt. Zumindest haben Sie nicht den Nachweis dafür erbracht, dass meinen Mandanten eine solche gesonderte Belehrung rechtzeitig vor der erteilten Auskunft erreicht hat: _________________________.

4) Zusammenfassend habe ich Sie deshalb aufzufordern, innerhalb einer Frist von

_________________________ (10-Tages-Frist)

schriftlich zu bestätigen, dass Sie aus Anlass des Schadensfalls keinen Regressanspruch gegen meinen Mandanten geltend machen. Sollten Sie die Frist ungenutzt verstreichen lassen, werde ich meinen Mandanten über die Möglichkeiten einer negativen Feststellungsklage informieren.

Mit freundlichen Grüßen

(Rechtsanwalt)

[21] OLG Köln SP 2005, 392: 2 Wochen sind unschädlich; weitergehend OLG Hamm, Urt. v. 28.3.2003 – 20 U 196/02 – juris: Eine Belehrung wirkt auch über 4 Wochen fort.
[22] Bei einer weiteren Auskunft, die ein Jahr zurückliegt, muss aber eine gesonderte Belehrung erfolgen, vgl. OLG Hamm zfs 2001, 117.
[23] BGH, Urt. v. 12.3.2014 – IV ZR 306/13 – zfs 2014, 277; OLG Hamm, Beschl. v. 7.12.2018 – I 20 U 64/18 – juris; OLG Stuttgart, Urt. v. 1.12.2016 – 7 U 114/16 = zfs 2017, 398; OLG Köln, Urt. v. 3.5.2013 – 20 U 224 / 12 = VersR 2013, 1428.

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