A. Der Teilzeitanspruch im Öffentlichen Dienst

 

Rz. 1

Die Arbeitsverhältnisse der im Öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmer richten sich neben dem Gesetz vor allem auch nach dem TVöD (Arbeitnehmer des Bundes und der Kommunen) bzw. nach dem TV-L (Arbeitnehmer der Länder). Der frühere BAT ist mit dem 30.9.2005 im Anwendungsbereich des TVöD und mit dem 31.10.2006 für die dem Geltungsbereich des TV-L unterfallenden Arbeitnehmer außer Kraft getreten und durch die neuen Tarifverträge abgelöst worden. Betreffend den Teilzeitanspruch entsprechen die aktuellen Regelungen allerdings weitgehend dem früheren § 15b BAT.

 

Rz. 2

§ 11 TVöD und § 11 TV-L sind wortlautidentisch. Sie lauten:

 

§ 11 Teilzeitbeschäftigung

(1)

Mit Beschäftigten soll auf Antrag eine geringere als die vertraglich festgelegte Arbeitszeit vereinbart werden, wenn sie

a) mindestens ein Kind unter 18 Jahren oder
b) einen nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen tatsächlich betreuen oder pflegen und dringende dienstliche bzw. betriebliche Belange nicht entgegenstehen. Die Teilzeitbeschäftigung nach Satz 1 ist auf Antrag bis zu fünf Jahre zu befristen. Sie kann verlängert werden; der Antrag ist spätestens sechs Monate vor Ablauf der vereinbarten Teilzeitbeschäftigung zu stellen. Bei der Gestaltung der Arbeitszeit hat der Arbeitgeber im Rahmen der dienstlichen bzw. betrieblichen Möglichkeiten der besonderen persönlichen Situation der/des Beschäftigten nach Satz 1 Rechnung zu tragen.
(2) Beschäftigte, die in anderen als den in Absatz 1 genannten Fällen eine Teilzeitbeschäftigung vereinbaren wollen, können von ihrem Arbeitgeber verlangen, dass er mit ihnen die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung mit dem Ziel erörtert, zu einer entsprechenden Vereinbarung zu gelangen.
(3) Ist mit früher Vollbeschäftigten auf ihren Wunsch eine nicht befristete Teilzeitbeschäftigung vereinbart worden, sollen sie bei späterer Besetzung eines Vollzeitarbeitsplatzes bei gleicher Eignung im Rahmen der dienstlichen bzw. betrieblichen Möglichkeiten bevorzugt berücksichtigt werden.
 

Rz. 3

§ 11 Abs. 2 TVöD/TV-L entspricht weitgehend der Regelung des § 8 Abs. 3 TzBfG und geht allenfalls insoweit über diesen hinaus, als nach TVöD/TV-L ein eigenständiger Anspruch auf das Einigungsverfahren vermittelt wird.[1]

 

Rz. 4

§ 11 Abs. 3 TVöD/TV-L ist in weiten Teilen mit § 9 TzBfG vergleichbar, neben anderen Unterschieden aber vor allem auch im personalen Anwendungsbereich enger gestaltet, da sich die Tarifnorm nur auf "früher vollzeitbeschäftigte Angestellte" bezieht.[2]

[1] Dazu unten Rdn 39 f.
[2] Dazu unten Rdn 41 ff.

B. Allgemeines

 

Rz. 5

Innerhalb des personalen Anwendungsbereiches des § 11 TVöD/TV-L sind dessen Normen aus Arbeitnehmersicht in vielerlei Hinsicht günstiger als die gesetzliche Regelung. Denn nach dem Tarifrecht kann der Anspruch auf Teilzeit nur aus dringenden betrieblichen Gründen ausgeschlossen werden, während § 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG bereits einfache betriebliche Gründe ausreichen lässt. Zudem kennt der Tarifvertrag anders als § 8 Abs. 1 u. 2 TzBfG weder eine Wartezeit noch eine Ankündigungsfrist für die Reduzierung der Arbeitszeit, dafür aber die Möglichkeit der Befristung[3] der Reduzierung. Ungünstiger mag § 11 TVöD/TV-L hingegen im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der dienstlichen Gründe sein (vgl. unten Rdn 23 f.).

 

Rz. 6

Infolge der inhaltlichen Nähe zwischen § 11 TVöD/TV-L einerseits und §§ 8, 9 TzBfG andererseits besteht zwischen den Normen ein Konkurrenzverhältnis, dessen Auflösung letztlich durch § 22 TzBfG vorgegeben ist.

 

Rz. 7

Das gesetzliche Teilzeitrecht enthält Mindestvoraussetzungen zum Schutze der Arbeitnehmer und ist darüber hinaus nur in engen Grenzen tarifdispositiv, wie sich § 22 TzBfG entnehmen lässt. §§ 8, 9 TzBfG sind in § 22 Abs. 1 TzBfG nicht genannt, so dass auch ein Tarifvertrag von ihrem Regelungsinhalt nicht zulasten der Arbeitnehmer abweichen darf. Abweichungen zugunsten der Arbeitnehmer sind hingegen ohne Weiteres zulässig, so dass sich die Frage aufdrängt, nach welchem Maßstab die günstigere Regelung zu ermitteln ist. Die frühere Unklarheit in dieser Auflösung des Konkurrenzverhältnisses[4] ist spätestens seit einer Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2014 geklärt: Danach verdrängen die gesetzlichen Vorschriften die Tarifvorschrift des § 11 TVöD/TV-L grundsätzlich nicht,[5] was allerdings nichts daran ändert, dass rein praktisch in aller Regel vorrangig das Gesetz anzuwenden ist.[6]

 

Rz. 8

Somit ergeben sich hinsichtlich der Konkurrenz zwischen §§ 8, 9 TzBfG und § 11 TVöD/TV-L die folgenden Grundsätze:

Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse dem TVöD/TV-L unterliegen, können sich stets und ohne Einschränkung auf die gesetzlichen Regelungen zur Teilzeit berufen. Soweit die tariflichen Normen ungünstiger sein sollten, sind sie wegen § 22 TzBfG unbeachtlich.
Daneben stehen diesen Arbeitnehmern auch die Möglichkeiten nach § 11 TVöD/TV-L offen, soweit diese günstiger als das Gesetz sind. Insbesondere bestehen die tariflichen Ansprüche auch bereits während der er...

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