Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 495
Hat die Vollstreckung des Gläubigers bereits begonnen oder steht sie unmittelbar bevor, bedarf der Dritte des einstweiligen Rechtsschutzes, um seines Vermögenswertes nicht abschließend verlustig zu gehen. Er ist also darauf angewiesen, dass die Zwangsvollstreckung zunächst bis zur Entscheidung über die Drittwiderspruchsklage einstweilen eingestellt wird.
Rz. 496
Den diesbezüglichen einstweiligen Rechtsschutz gewährt über § 771 ZPO auch hier § 769 ZPO. Danach kann das Prozessgericht die Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen einstellen oder anordnen, dass diese nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf. Daneben kann es anordnen, dass einzelne Vollstreckungsmaßnahmen gegen Sicherheitsleistung aufgehoben werden. Der Schuldner kann diese Entscheidung der weiteren Vollstreckung dann nach § 775 Nr. 2 ZPO entgegenhalten.
Rz. 497
Zuständig ist nach § 769 Abs. 1 ZPO grundsätzlich das Prozessgericht. Nur in dringlichen Ausnahmefällen ist nach § 769 Abs. 2 ZPO das Vollstreckungsgericht berechtigt, die Zwangsvollstreckung auf Antrag des Dritten im vorbezeichneten Rahmen einstweilen einzustellen. Dabei hat es jedoch zugleich eine Frist zu bestimmen, innerhalb deren eine Entscheidung des Prozessgerichts beizubringen ist.
Rz. 498
Der Schuldner hat als Antragsteller seinen Vortrag glaubhaft zu machen. Insoweit kann er sich auf die mit der Vollstreckungsgegenklage vorgelegten Urkunden beziehen. Darüber hinaus bedarf es der Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung, § 294 ZPO.
Rz. 499
Ob gegen die Entscheidung des Prozessgerichts ein Rechtsmittel gegeben ist, war bisher umstritten. Die wohl herrschende Meinung ist davon ausgegangen, dass grundsätzlich kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Prozessgerichts gegeben ist. Anderes müsse allerdings dann gelten, wenn die Entscheidung "greifbar gesetzeswidrig" sei. Schon seitdem der BGH die außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit nach der Einführung der Rechtsbeschwerde durch die ZPO-Reform zum 1.2.2002 nicht mehr für zulässig hält, musste diese Rechtsprechung als überholt gelten. Nach anderer Ansicht findet sich für eine Einschränkung der Beschwerdemöglichkeit im Gesetz keine Stütze. Vielmehr sei in jedem Fall die sofortige Beschwerde nach §§ 793, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gegeben.
Rz. 500
Ein anderer Teil der Rechtsprechung hat aus § 707 Abs. 2 ZPO analog abgeleitet, dass ein Rechtsmittel grundsätzlich nicht gegeben ist. Dem hat sich jetzt der BGH angeschlossen. Aus einer Auslegung des § 769 Abs. 1 ZPO im Kontext der allgemeinen Vorschriften zur Zwangsvollstreckung, insbesondere der §§ 707 Abs. 2 S. 2, 793 ZPO, folge, dass eine solche sofortige Beschwerde nicht statthaft sei. Auch eine außerordentliche Beschwerde komme nach der ZPO-Reform nicht mehr in Betracht.
Rz. 501
Ungeachtet der Entscheidung des BGH und in deren Kenntnis hat das OLG Koblenz Bedenken aufgrund des rechtsstaatlichen Gebots der Rechtsmittelklarheit. Danach sei es zuerst Sache des Gesetzgebers eindeutige Vorschriften über die Zulässigkeit von Rechtsmitteln zu schaffen. Außerordentliche Rechtsmittel seien deshalb unzulässig. Aus demselben Grund seien Tatbestände, die Rechtsmittel für bestimmte Konstellationen ausschließen, nicht auf andere Fälle übertragbar, wenn sich dafür kein Anhaltspunkt im Gesetz finde. Ihre analoge Anwendung kollidiere mit dem Prinzip vom Vorrang des Gesetzes. Aufgrund dieser Entscheidung kann die Frage noch nicht als abschließend geklärt angesehen werden. Allerdings wird der Rechtsanwalt den Mandanten auf das erhebliche Kostenrisiko hinweisen müssen, wenn Beschwerde erhoben werden soll.
Rz. 502
Hinweis
Beruht die Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, ist diese Entscheidung allerdings mit der Gehörsrüge nach § 321a ZPO angreifbar. Die Gehörsrüge kann dabei nur dann erfolgreich sein und zur Fortführung des Verfahrens führen, wenn die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör entscheidungserheblich war, d.h. nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht ohne diesen Fehler zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre. Besonders zu beachten ist die Befristung der Gehörsrüge. Danach ist die Gehörsrüge binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen (§ 294 ZPO). Soweit die Entscheidung zuzustellen ist, wird die Verletzung regelmäßig mit der Zustellung bekannt. Soweit eine Zustellung nicht vorgesehen ist, gilt die Entscheidung zukünftig mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Grundsätzlich ist auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 233 ff. ZPO möglich, da es sich um eine Notfrist handelt. Die Rüge ist nach § 321a Abs. 2 S. 4 ZPO schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dem die Verletzung des rechtlichen Gehör...