A. Vorbemerkung

 

Rz. 1

Wer ein Gebrauchtfahrzeug erwirbt, welches dem Veräußerer nicht gehört, erwirbt dennoch das Eigentum daran, es sei denn:

der Käufer ist nicht gutgläubig, also es ist ihm bekannt, oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt, dass es dem Veräußerer nicht gehört (§ 932 Abs. 1, 2 BGB),
das Fahrzeug ist dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst wie abhanden gekommen und wurde vom Käufer nicht in einer öffentlichen Versteigerung erworben (§ 935 BGB).

B. Guter Glaube

 

Rz. 2

Maßgeblich für die Beurteilung der Gutgläubigkeit ist der Zeitpunkt des Besitzerwerbs; nachträgliche Zweifel oder positive Kenntnis sind für den Eigentumserwerb unschädlich.[1]

 

Rz. 3

Erste Voraussetzung, die jedoch allein nicht ausreicht, ist der auf dem Besitz beruhende Rechtsschein (§ 1006 Abs. 1 S. 1 BGB). Wer sich den Fahrzeugbrief nicht zeigen lässt, handelt in der Regel[2] grob fahrlässig[3] und damit nicht gutgläubig, selbst wenn ein Fahrzeugschein vorgelegt wird[4] oder andere plausibel scheinende Erklärungen des Verkäufers die Zweifel zerstreuen.[5] Das gilt auch für den Verkauf von Schrottfahrzeugen,[6] von Leasingfahrzeugen unter Händlern[7] sowie beim Erwerb durch Ausländer, deren Heimatrecht keinerlei Fahrzeugbrief kennt.[8] Beim Erwerb von einer juristischen Person muss die Vertretungsmacht des Handelnden geprüft werden.[9]

 

Rz. 4

 

Praxistipp

Der Käufer sollte die Eintragung in Fahrzeugbrief und Fahrzeugschein prüfen und mit den Eintragungen im Kaufvertrag vergleichen.

 

Rz. 5

Auch wer sich den Fahrzeugbrief zeigen lässt, kann gleichwohl noch bösgläubig sein, wenn konkrete Verdachtsmomente für das fehlende Eigentum bestehen, z.B. in folgenden Fällen:

es handelt sich um eine Tageszulassung[10] oder Auslandszulassung;[11]
der Preis ist besonders niedrig,[12] der Verkauf erfolgt auf offener Straße;[13]
Veräußerer und eingetragener Halter sind nicht identisch[14] (zweifelhaft, da vor allem Händler häufig nicht als letzte Halter eingetragen sind);[15]
dem Käufer fällt eine auffällige Fälschung des Dokuments nicht auf.[16]
 

Rz. 6

Die Anforderungen an die Prüfungsobliegenheit des Käufers richten sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der konkreten Veräußerungssituation, den Marktgepflogenheiten und dem Sachverstand der Kaufvertragsparteien sowie deren vorgegebenen Vertrauensverhältnis. Der Privatmann handelt i.d.R. gutgläubig, wenn der Verkäufer Besitzer und letzter Halter gem. Kfz-Brief ist; ein Vergleich der Fahrzeugidentitätsnummer wird nicht erwartet.[17] Für einen Händler sind die Anforderungen strenger, ebenso bei einem Importkauf.[18]

 

Rz. 7

Selbst wenn nicht feststeht, ob bei gehöriger Aufmerksamkeit (also z.B. dem Blick in den Fahrzeugbrief) die wahren Eigentumsverhältnisse aufgeklärt worden wären, führt allein das Unterlassen der Nachforschung zur Bösgläubigkeit.[19]

 

Rz. 8

Beim Kauf durch einen Stellvertreter kommt es auf dessen Gutgläubigkeit an, nicht auf die des Erwerbers (§ 166 Abs. 1 BGB).[20] Beim Verkauf durch einen Stellvertreter oder Vermittler muss der Käufer gutgläubig an das Eigentum desjenigen glauben, für den das Fahrzeug verkauft wird.[21]

 

Rz. 9

 

Praxistipp

Wenn der Fahrzeugeigentümer nicht selbst mit dem Käufer verhandelt, sollte sich der Käufer eine schriftliche Verkaufsvollmacht und die Ausweispapiere des Be­vollmächtigten vorweisen lassen und dessen Anschrift notieren. Am besten sollte er auch mit dem Eigentümer telefonieren, um auszuschließen, dass ein gestohlenes Fahrzeug angeboten wird.

 

Rz. 10

Verkauft jemand betrügerisch einen Pkw unter Benutzung des Namens des letzten im unrechtmäßig erworbenen Fahrzeugbrief eingetragenen Halters, ist von einem wirksamen Vertragsabschluss auszugehen[22] und auch von einem gutgläubigen Erwerb; denn es ist ohne besondere Umstände nicht grob fahrlässig, sich den Personalausweis des Verkäufers nicht zeigen zu lassen.[23] Vertragspartner auf Verkäuferseite ist in diesen Fällen die unter fremden Namen handelnde Person und nicht der Eigentümer, sofern der Kauf sofort abgewickelt wird mit der Folge, dass die Übereignung an den Käufer auch ohne Vollmacht und Genehmigung des Eigentümers wirksam erfolgt ist.[24]

[1] Palandt/Herrler, § 932 Rn 16.
[2] Beispiel für eine Ausnahme: BGH NJW 1966, 1970.
[3] BGH NJW 2006, 3488; LG München I zfs 2006, 92; LG Bad Kreuznach, Urt. v. 18.5.2016 – 3 O 41/16, juris.
[4] LG München II NJW 1957, 1237.
[5] BGH NJW 1965, 687; OLG Karlsruhe NZV 1989, 434; OLG Hamm OLGR 1993, 237.
[6] OLG München DAR 1965, 99.
[8] OLG Celle JZ 1979, 608.
[9] OLG Schleswig NJW 2007, 3007.
[10] OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 246.
[11] BGH NJW 1991, 1415.
[12] BGH NJW 1994, 2022; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 615.
[16] BGH MDR 1966, 754; KG MDR 2002, 1350.
[18] BGH DAR 1991, 294; NJW 1994, 2022.
[19] BGH NJW 1994, 2022; 1991,...

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