Rz. 20

Kontrovers wird in der Rechtsprechung dabei erörtert, ob bzw. unter welchen Umständen der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt, wenn er sich vor dem Unfallereignis nach einem herabgefallenen Gegenstand bückt. Da der Versicherer die Beweislast für den von ihm behaupteten Risikoausschluss trägt, gehen verbleibende Zweifel zu seinen Lasten.

 

Rz. 21

Muster 15.6: Keine grobe Fahrlässigkeit wegen kurzer Unaufmerksamkeit des Fahrzeugführers

 

Muster 15.6: Keine grobe Fahrlässigkeit wegen kurzer Unaufmerksamkeit des Fahrzeugführers

_________________________ Versicherung AG

_________________________

_________________________

Schaden-Nr./VS-Nr./Az. _________________________

Schaden vom _________________________

Pkw _________________________, amtl. Kennzeichen _________________________

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ihr Versicherungsnehmer _________________________ aus _________________________ beauftragte mich mit der Wahrnehmung seiner Interessen in der im Betreff genannten Vollkaskoschadensache. Eine Kopie der auf mich lautenden Vollmacht füge ich in der Anlage bei.

Durch Schreiben vom _________________________ lehnten Sie Ihre Eintrittspflicht für den Schadensfall vom _________________________ insgesamt ab. Zur Begründung beriefen Sie sich auf eine angeblich grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls. Danach werfen Sie meinem Mandanten vor, er habe den Schaden dadurch grob fahrlässig herbeigeführt, dass er sich nach einem herabgefallenen Gegenstand gebückt und deswegen einen Verkehrsunfall herbeigeführt hat.

Dieser Vorwurf, für den Sie beweisbelastet sind, ist zurückzuweisen. Eine nur kurze Unaufmerksamkeit des Fahrzeugführers rechtfertigt i.d.R. nicht den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit (OLG München a.a.O.). Sie haben vielmehr darzulegen und zu beweisen, dass sich der Versicherungsnehmer grob verkehrswidrig und unverständlich sorglos verhalten hat. Bringt der Versicherer hierzu allein vor, dem Versicherungsnehmer sei ein Gegenstand heruntergefallen und durch den Versuch, diesen aufzuheben, sei er von der Straße abgekommen, reicht dies – jedenfalls in einer besonders ungefährlichen Verkehrssituation – nicht aus, um dem Versicherungsnehmer vorzuwerfen, er habe das unbeachtet gelassen, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (OLG Dresden, Urt. v. 15.6.2001 – Az. 3 U 468/01 = DAR 2001, 498). Bleiben naheliegende Möglichkeiten offen, die das Verhalten des Versicherungsnehmers in milderem Licht erscheinen lassen, so geht dies – wie hier – zu Lasten des Versicherers (OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.2.1999 – Az. 4 U 76/98 = SP 1999, 210).

Insoweit haben Sie folgende Umstände nicht ausreichend gewürdigt: _________________________

Abschließend habe ich Sie daher aufzufordern, die mit _________________________ EUR bezifferte Kaskoentschädigung abzüglich des vertraglich vereinbarten Selbstbehalts in Höhe von _________________________ EUR unverzüglich, spätestens jedoch bis zum

_________________________ (10-Tages-Frist)

auszugleichen. Nach fruchtlosem Fristablauf werde ich meinem Mandanten die unverzügliche Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe empfehlen.

Mit freundlichen Grüßen

(Rechtsanwalt)

 

Rz. 22

Nach anderer Ansicht in der Rechtsprechung wird i.d.R. ein grob fahrlässiges Fehlverhalten des Versicherungsnehmers bejaht, wenn dieser sich etwa nach einer herabgefallenen Zigarette bückt, dabei den Blick von der Fahrbahn nimmt und keine Vorkehrungen gegen die Vermeidung dieser Gefahrensituation (beispielsweise das Bereithalten eines Aschenbechers) getroffen hat.

 

Rz. 23

Muster 15.7: Grob fahrlässige Suche nach herabgefallenen Gegenständen

 

Muster 15.7: Grob fahrlässige Suche nach herabgefallenen Gegenständen

Als grob fahrlässig ist es anzusehen, wenn sich ein Autofahrer durch die Suche nach heruntergefallenen Gegenständen in einer Weise von dem Verkehrsgeschehen ablenken lässt, dass er die Übersicht darüber verliert und es – sei es auch nur reflexartig – dann zu Fehlreaktionen oder dazu kommt, dass er die Herrschaft über sein Fahrzeug verliert (OLG Frankfurt, Urt. v. 8.2.1995 – Az. 23 U 108/94 = zfs 1996, 61 = MDR 1995, 905; OLG Köln, Urt. v. 10.3.1998 – Az. 9 U 184/97 = zfs 1998, 259; vgl. auch OLG Jena, Urt. v. 17.12.1997 – Az. 4 U 805/97 = VersR 1998, 838; OLG Zweibrücken, Urt. v. 10.3.1999 – Az. 1 U 65/98 = r+s 1999, 406; OLG München, Urt. v. 10.12.1999 – Az. 10 U 2792/99 = SP 2000, 173; OLG Frankfurt, Urt. v. 21.2.2001 – Az. 7 U 214/99 = NVersZ 2001, 322; LG Dresden, Urt. v. 17.12.1999 – Az. 11 O 2167/99 = SP 2000, 173; LG Köln, Urt. v. 7.12.2000 – Az. 24 O 186/00 = SP 2001, 209; LG Lüneburg, Urt. v. 8.5.2002 – Az. 8 O 57/02 = zfs 2002, 439; LG Coburg, Urt. v. 10.12.2003 – Az. 21 O 705/03 = SP 2004, 241; AG Hanau, Urt. v. 6.8.2010 – Az. 39 C 121/10 (19) = SVR 2010, 429). Greift der Versicherungsnehmer sogar nach dem herabgefallenen Gegenstand, genügt auch eine Ablenkung für "kurze Zeit" (OLG Köln, Urt. v. 10.3.1998 – Az. 9 U 184/97 = zfs 1998, 259).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erf...

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