Rz. 18

Für die Leistungspflicht des Vollkaskoversicherers ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, von wem der Unfallschaden verursacht bzw. verschuldet wurde. Nach § 81 Abs. 1 VVG ist der Versicherer jedoch bei einer vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls vollständig leistungsfrei. Im Fall der grob fahrlässigen Verursachung des Versicherungsfalls sieht § 81 Abs. 2 VVG ein Kürzungsrecht des Versicherers vor, das sich an der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers orientiert. Die bei dieser Quotenbildung zu berücksichtigenden Kriterien werden in dem diesem Kapitel nachfolgenden Abschnitt behandelt.

Für die Praxis der Verkehrsunfallbearbeitung sind die Fälle der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls von besonderer Bedeutung. Hier ist aber zu beachten, dass viele Versicherungen mit Ausnahme sog. Basistarife derzeit in ihren Bedingungen den Einwand der groben Fahrlässigkeit mit folgender Klausel einschränken:

Zitat

"Wir verzichten in der Fahrzeugversicherung auf den Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Schadens. Der Verzicht gilt nicht, wenn der Schaden grob fahrlässig durch Ermöglichung der Entwendung des Fahrzeuges oder seiner Teile oder infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel herbeigeführt wurde."

Bei einem solchen Verzicht sind die möglichen Einwendungen nach § 81 VVG auf die beiden o.g. Fallgruppe beschränkt.

 

Rz. 19

Die Rechtsprechung nahm die grob fahrlässige Herbeiführung eines Versicherungsfalls bei Verkehrsunfällen u.a. in folgenden Fällen an, sofern die nachfolgend angeführten Verhaltensweisen nachweislich zu dem Unfall geführt haben:

erhebliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit;[24]
Verkehrsunfall infolge eines Rotlichtverstoßes,[25] es sei denn, es liegt ein sog. Augenblicksversagen vor, zu dem allerdings weitere entlastende Umstände hinzukommen müssen;
Unfallverursachung im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit;[26]
Abkommen von der Fahrbahn wegen des Aufhebens eines Gegenstandes, ggf. erst bei Hinzutreten weiterer erschwerender Umstände;[27]
Überholen trotz Gegenverkehrs;[28]
erkennbare Übermüdung, über die sich der Fahrer bewusst hinweggesetzt hat.[29]

Der Versicherer trägt die Beweislast für das behauptete grob fahrlässige Fehlverhalten.

[24] Z.B. OLG Koblenz, Urt. v. 5.3.1999 – Az. 10 U 155/98 = SP 1999, 209; OLG Nürnberg, Urt. v. 27.1.2000 – Az. 8 U 3128/99 = r+s 2000, 364; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.9.2000 – Az. 4 U 198/99 = zfs 2001, 265; OLG Köln, Urt. v. 11.3.2003 – Az. 9 U 45/02 = zfs 2003, 553; LG Köln, Urt. v. 4.3.2009 – Az. 20 O 246/07 = SP 2009, 444.
[25] Siehe nur BGH, Urt. v. 8.7.1992 – Az. IV ZR 223/91 = zfs 1992, 378 = VersR 1992, 1085; BGH, Urt. v. 29.1.2003 – Az. IV ZR 173/01 = zfs 2003, 242.
[26] Siehe nur BGH, Urt. v. 9.10.1991 – Az. IV ZR 264/90 = zfs 1992, 15 = VersR 1991, 1367; BGH, Urt. v. 22.6.2011 – Az. IV ZR 225/10 = zfs 2011, 511.
[27] Z.B. OLG München, Urt. v. 10.12.1999 – Az. 10 U 2792/99 = SP 2000, 173; LG München I, Urt. v. 22.2.1999 – Az. 27 O 21039/98 = SP 1999, 210; LG Lüneburg, Urt. v. 8.5.2002 – Az. 8 O 57/02 = zfs 2002, 439; vgl. auch OLG Dresden, Urt. v. 15.6.2001 – Az. 3 U 468/01 = DAR 2001, 498.
[28] Z.B. OLG Hamm, Urt. v. 21.9.1994 – Az. 20 U 140/94 – juris; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.12.1998 – Az. 4 U 235/97 = r+s 1999, 311; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.9.2000 – Az. 4 U 198/99 = zfs 2001, 265; KG Berlin, Urt. v. 20.4.2004 – Az. 6 U 57/04 = SP 2005, 21; vgl. auch OLG Schleswig, Urt. v. 13.12.2007 – Az. 7 U 86/06 = MDR 2008, 913.
[29] BGH, Urt. v. 1.3.1977 – Az. VI ZR 263/74 = VersR 1977, 619; BGH, Urt. v. 21.3.2007 – Az. I ZR 166/04 = VersR 2008, 515 = TranspR 2007, 361; OLG München, Urt. v.27.3.1963 – Az. 7 U 575/63 = VersR 1963, 1044; OLG Frankfurt, Urt. v. 3.7.1997 – Az. 3 U 109/96 = MDR 1998, 215; OLG Zweibrücken, Urt. v. 23.7.1997 – Az. 1 U 134/96 = zfs 1998, 341; OLG Koblenz, Urt. v. 12.12.1997 – Az. 10 U 226/97 = r+s 1998, 187; OLG Oldenburg, Urt. v. 16.9.1998 – Az. 2 U 139/98 = NJW-RR 1999, 469; OLG Celle, Urt. v. 3.2.2005 – Az. 8 U 82/04 = SP 2005, 313; OLG Koblenz, Beschl. v. 8.6.2006 – Az. 10 U 1161/05 = VersR 2007, 57; OLG Koblenz, Urt. v. 12.1.2007 – Az. 10 U 949/06 = VersR 2007, 365; OLG Rostock, Urt. v. 24.11.2011 – Az. 3 U 151/10 = r+s 2012, 533.

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