A. Rechtliche Ausgangslage

 

Rz. 1

Nach § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 3 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die FE zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken an der Eignung des FE-Inhabers zum Führen eines Kraftfahrzeugs begründen, hat die Fahrerlaubnisbehörde unter den in §§ 1114 FeV genannten Voraussetzungen durch die Anordnung der Vorlage von ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachten die Eignungszweifel aufzuklären (§ 3 Abs. 1 S. 3 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Wenn sich der Betroffene weigert, sich untersuchen zu lassen, oder das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt, darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung schließen (§ 11 Abs. 8 S. 1 FeV). Der Schluss auf die Nichteignung ist jedoch nur zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist.[1]

[1] Vgl. BVerwG, Urt. v. 5.7.2001 – 3 C 13.01, zfs 2002, 47 = NJW 2002, 78; BVerwG v. 9.6.2005 – 3 C 25.04, NJW 2005, 3081; VGH BW, Beschl. v. 24.6.2002 – 10 S 985/02, zfs 2002, 504 m.w.N.; VGH BW, Beschl. v. 30.6.2011 – 10 S 2785/10, zfs 2011, 592 ff.

B. Die Gutachtenanordnung

I. Anordnungsmöglichkeiten der Fahrerlaubnisbehörde; Rechtsrahmen

 

Rz. 2

Die Fahrerlaubnisbehörde hat zu ermitteln, ob der Antragsteller zum Führen von Kfz geeignet und befähigt ist (§ 2 Abs. 7 S. 1 StVG). Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung oder Befähigung des Bewerbers begründen, so kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Aufklärung der Eignungszweifel anordnen, dass der Antragsteller

ein Gutachten oder Zeugnis eines Facharztes oder Amtsarztes (näher dazu: § 11 Abs. 2 S. 3 FeV),
ein Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten, § 11 Abs. 3 FeV) oder
ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr (§ 11 Abs. 4 FeV)[2]

innerhalb einer angemessenen Frist beibringt (§ 2 Abs. 8 StVG; vgl. auch § 11 Abs. 24 FeV).

 

Rz. 3

Gleiches gilt, wenn bei einem Inhaber einer FE Eignungszweifel auftauchen, § 3 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 2 Abs. 7 und 8 StVG; § 46 Abs. 3 FeV. Für die Neuerteilung einer FE nach vorangegangener Entziehung gelten grundsätzlich die Vorschriften für die Ersterteilung, § 20 Abs. 1 S. 1 FeV.

 

Rz. 4

Fragen der Eignung und Eignungszweifel und damit auch Fragen der Begutachtung werden in §§ 11 bis 14 FeV näher präzisiert. Diese Eignungsvorschriften konkretisieren die Eignungsbestimmung in § 2 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 4 StVG. § 11 FeV normiert die Grundregel zur "Eignung". Während sich dann § 13 FeV mit der Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik beschäftigt, regelt § 14 FeV die Klärung von Eignungszweifeln im Hinblick auf Betäubungsmittel und Arzneimittel.

 

Rz. 5

In § 46 Abs. 1 S. 2 FeV i.V.m. der Anlage 4 FeV hat der Verordnungsgeber eine Bewertung der Auswirkungen bestimmter Verhaltensweisen und Erkrankungen auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorgenommen, indem er die auf wissenschaftlicher Grundlage gewonnenen und bereits im Gutachten "Krankheit und Kraftverkehr" zusammengefassten Erkenntnisse in die FeV integriert und damit normativ als für den Regelfall zutreffend gekennzeichnet hat.[3] Damit sind zu §§ 11, 13 und 14 FeV häufiger vorkommende Erkrankungen und Mängel, die die Eignung beeinträchtigen oder aufheben können, in Anlage 4 zur FeV aufgenommen, wobei diese Bewertungen für den Regelfall gelten. Auf diese Vorschriften wird für die Entziehung (§ 46 Abs. 3 FeV) und die Neu-/Wiedererteilung der FE (§ 20 FeV) verwiesen.

 

Rz. 6

Anlage 4a zur FeV (zu § 11 Abs. 5 FeV) legt Grundsätze für die Durchführung der Untersuchungen und die Erstellung der Gutachten fest. Für die Durchführung der ärztlichen und der medizinisch-psychologischen Untersuchung sowie für die Erstellung der entsprechenden Gutachten gelten diese in der Anlage 4a genannten Grundsätze (§§ 11 Abs. 5 FeV).

 

Rz. 7

Die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung[4] sind nach Anlage 4a zur FeV Grundlage für die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Sie zeigen Beurteilungsgrundsätze auf, die den Gutachtern gem. § 11 Abs. 2 bis 4 und den §§ 13 und 14 FeV als Entscheidungshilfe für den Einzelfall dienen sollen.[5] Durch diese Verankerung in der Anlage zur FeV nehmen sie am Rechtscharakter der Anlagen zur FeV teil. Die Beurteilungskriterien[6] bieten den Gutachtern eine Entscheidungsgrundlage, die in der Praxis für die medizinische wie medizinisch-psychologische Untersuchung Anwendung findet. Sie ergänzen die Begutachtungs-Leitlinien und dienen als Grundlage für die Begutachtung, bei der aus einer Vielzahl von Befunden abgeleitet werden muss, ob im Einzelfall die in den Begutachtungs-Leitlinien formulierten Grundsätze erfüllt werden.[7] Ihr einzelfallbezogener Differenzierungsgrad ist höher als bei den Begutachtungsleitlinien. Dabei werden laborchemische, medizinische und psychologische Befunddaten kombiniert (siehe § 1 Rdn 31).

[2] Die Beibringung eines Gutacht...

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