Rz. 2

Im deutschen Recht werden mittelbare Vermögensschäden in der Regel nicht ersetzt.[1] Bei materiellen Personenschäden – insbesondere beim Erwerbsschaden – ist deshalb nur der Schaden des unmittelbar Geschädigten zu ersetzen.[2] Geht dessen Anspruch durch Abtretung oder durch gesetzlichen Forderungsübergang auf einen Dritten über, bleibt der Anspruch inhaltlich unverändert, wie er in der Hand des unmittelbar Geschädigten entstanden ist.

 

Rz. 3

Mittelbar Geschädigte (Drittgeschädigte) sind diejenigen, die keine eigene Verletzung eines der in § 823 Abs. 1 BGB und in den Sondergesetzen geschützten absoluten Rechtsgüter erlitten haben, also bei dem Unfall nicht selbst verletzt wurden und bei denen lediglich infolge des Unfalls eines Dritten ein Vermögensschaden eingetreten ist. § 844 BGB sieht (ebenso wie § 845 BGB) im Fall der unfallbedingten Tötung eines Unterhaltspflichtigen ausdrücklich eine Ausnahme von diesem Prinzip vor.

 

Rz. 4

Wird z.B. der Partner eines international erfolgreichen Eislaufpaars bei einem Verkehrsunfall verletzt und entstehen dadurch für beide erhebliche Einnahmeausfälle, besteht ein Ersatzanspruch gegen den Unfallgegner nur bei dem, der selbst verletzt wurde.[3] Der nicht verletzte Partner ist nur mittelbar geschädigt und deshalb nicht ersatzberechtigt. Es liegt auch kein Eingriff in den ausgeübten Gewerbebetrieb vor. Denn der Eingriff war nicht betriebsbezogen. Baut jemand in Eigenregie ein Haus und hilft ihm sein Vater, ein Rentner, gefälligkeitshalber, bestehen keine Ersatzansprüche, wenn der Vater unfallbedingt arbeitsunfähig wird und der Sohn deswegen erhöhte Lohnaufwendungen hat.[4] Der Sohn erlitt zwar unfallbedingt einen Schaden, war aber nur mittelbar geschädigt; der Vater hätte zwar unfallbedingt einen Ersatzanspruch gegen den Schädiger haben können, erlitt aber keinen eigenen Erwerbsschaden. Wenn der ­Geschäftsführer einer GmbH auf einer Baustelle der Gesellschaft verletzt wird und deshalb längere Zeit arbeitsunfähig ist, kann die GmbH den Schädiger wegen ihres Verdienstausfalls und wegen der Gehaltsfortzahlung an den Geschäftsführer nicht mit Erfolg auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Bei dem entgangenen Gewinn und bei der Gehaltsfortzahlung ohne Gegenleistung handelte es sich um nicht erstattungsfähige Drittschäden der GmbH. Hinsichtlich der Gehaltsfortzahlung hätte sich die GmbH allenfalls die Ansprüche ihres Geschäftsführers abtreten lassen können und dann aus abgetretenem Recht den Erwerbsschaden ihres Geschäftsführers geltend machen können.[5] Macht ein Unternehmer gegen einen Unfallgegner eines Verkehrsunfalls im Wege des Schadensersatzes die Kosten für einen Ersatzfahrer geltend mit der Behauptung, dass der Fahrer seines Fahrzeugs durch den Aufprall verletzt worden und infolge dieser Verletzung für eine gewisse Zeit ausgefallen sei, ist die Klage schlichtweg unschlüssig.[6] Als mittelbar Geschädigter hatte der Unternehmer keinen Anspruch. Er hätte allenfalls einen Regressanspruch wegen der Lohnfortzahlung für den verletzten Fahrer (§ 6 EFZG) geltend machen können.

 

Rz. 5

Die Konsequenzen der deutschen Regelung hinsichtlich fehlender Ersatzfähigkeit von Drittschäden können bitter sein. Wenn ein Landwirtsehepaar seinen Hof auf den Sohn überträgt und der Sohn dafür Versorgungsleistungen zusagt, die im Grundbuch durch ein Leibgedinge dinglich abgesichert werden, kann ein fremdverschuldeter Unfall des Sohnes, nach dem die Eltern den Hof nicht fortführen können, zu einem ganz erheblichen nicht zu ersetzenden Vermögensschaden führen.[7]

 

Rz. 6

Nicht ersatzfähige Drittschäden sind insbesondere:

 

Rz. 7

Der Ausfall der Arbeitskraft Dritter, wie des Helfers beim Hausbau eines Dritten,[8] der Wegfall von geplanten Eigenleistungen des Verstorbenen im Eigenheim oder in der Wohnung,[9] die Vereitelung der Mitarbeit eines Ehegatten im Erwerbsgeschäft des anderen durch eine Körperverletzung,[10] der Wegfall von Pflegeleistungen,[11] wobei allerdings zu beachten ist, dass die an eine Pflegeperson gezahlten Beträge Einkommen sind, wenn diese Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen nach dem SGB XI erhält.[12]
Einbußen einer Gesellschaft und der Mitgesellschafter durch den Tod eines Gesellschafters/Geschäftsführers sind nicht ersatzpflichtige mittelbare Schäden.[13] In Betracht kommt wie bei Selbstständigen und Unternehmen lediglich ein übergegangener Anspruch aufgrund § 6 EFZG oder einer Abtretung wegen von der Gesellschaft erbrachter kongruenter Leistungen.[14]
Die den Kindern wegen des Todes eines oder beider Elternteile nicht mehr gewährte Aussteuer (§ 1624 BGB). Entsprechendes gilt für Kosten der Erben anlässlich der Nachlassregelung, z.B. ­Notariatskosten, Erbscheinkosten oder andere Verwaltungskosten,[15] sowie hinsichtlich der Erbschaftssteuer.[16] Kein Schadensersatzanspruch besteht auch, wenn die Erben aus Verträgen (z.B. Kaufvertrag über Kleidung, Möbel oder Motorrad; spezielle Schmuckanfertigung; individuell angefertigte Objekte; Sammlerstücke) verpflichtet sind, die der Er...

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