Rz. 76

 

Zum Thema

Fischinger "Zur Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen nach § 203 BGB" VersR 2005, 1641; Fischinger "Sind die §§ 203 ff. BGB auf die Höchstfristen des § 199 Abs. 24 BGB anwendbar?" VersR 2006, 1475; Jahnke, Abfindung von Personenschadenansprüchen, 2. Aufl. 2008, § 5 Rn 435 ff.

 

Rz. 77

 

§ 203 BGB – Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen

1Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert.

2Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

 

Rz. 78

Solange zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben, ist die Verjährung gehemmt, bis eine Partei die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. § 203 S. 1 BGB übernimmt damit die Gedanken vorbestehender spezialrechtlicher Vorschriften (vor allem § 852 II BGB a.F.).

 

Rz. 79

Die gesetzliche Neuregelung sieht ausdrücklich davon ab, Beginn und Ende der Verhandlungen besonders zu beschreiben oder eine Form generell festzulegen. Die Art und Weise, wie über streitige oder zweifelhafte Ansprüche verhandelt werden könne, ist so vielgestaltig, dass sie sich einer weitergehenden Regelung entzieht.

 

Rz. 80

Spezialvorschriften können allerdings Formvorgaben beinhalten; so gilt § 115 II 3 VVG (§ 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F.), wonach bis zu schriftlichen Entscheidung die Verjährung gehemmt ist, unverändert fort. § 115 II 3 VVG (§ 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F.) betrifft aber ausschließlich das erstmalige Geltendmachen von Ansprüchen gegenüber dem Haftpflichtversicherer, so dass bei Fortführung von Verhandlungen nach vorheriger schriftlicher Ablehnung keine erneute schriftliche Zurückweisung erforderlich ist.[70] Die Verjährung richtet sich damit bei Wiederaufnahme von Verhandlungen nur noch an § 14 StVG a.F., §§ 852 II BGB a.F., 203 BGB aus; insbesondere kann damit Verjährung durch Einschlafen der Verhandlung eintreten.[71]

 

Rz. 81

Die an eine Verhandlung i.S.v. § 852 II BGB a.F. begrifflich und inhaltlich zu stellenden Anforderungen und Bedingungen wurden auf das Verjährungssystem allgemein übertragen. Die Beendigung von Verhandlungen bei schlichtem Einschlafen der Gespräche ohne eindeutige Erklärung eines Beteiligten über das Ende seiner Verhandlungsbereitschaft wird als einer gesetzlichen Festschreibung nicht zugänglich angesehen und daher die Lösung im Einzelfall der Rechtsprechung – wie schon zu § 852 II BGB a.F. – überantwortet.

 

Rz. 82

Der Begriff der Verhandlungen i.S.v. § 203 S. 1 BGB ist nicht eng auszulegen.[72] Es genügt jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner dies nicht sofort und erkennbar ablehnt. Gibt eine der Parteien Erklärungen ab, die der jeweils anderen Partei die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang ein, wird verhandelt. Nicht erforderlich ist, dass Vergleichsbereitschaft oder Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird oder dass Erfolgsaussicht besteht.[73]

 

Rz. 83

Eine Verhandlungspause (gerade wenn die weitere gesundheitliche Entwicklung abgewartet werden soll) beendet nicht die Verhandlung. Schlafen Verhandlungen aber ein, entfällt die Hemmung zu demjenigen Zeitpunkt, zu dem eine Antwort des Ersatzberechtigten auf die letzte Äußerung des Ersatzpflichtigen spätestens zu erwarten gewesen wäre.[74]

 

Rz. 84

Da das Ende der Verhandlungen für den Gläubiger überraschend und u.U. kurz vor Fristablauf eintreten kann, sieht § 203 S. 2 BGB eine besondere Ablaufhemmung vor, wonach die Verjährung erst frühestens 3 Monate nach dem Ende der Verhandlungen eintritt.

[70] BGH v. 5.11.2002 – VI ZR 416/01 – BGHZ 152, 298 = MDR 2003, 215 = NJW 2003, 895 = NZV 2003, 80 = r+s 2003, 36 = SP 2003, 72 = VersR 2003, 99 = zfs 2003, 174 (Vorinstanz OLG Düsseldorf v. 29.10.2001 – 1 U 39/01 – SP 2002, 284); OLG Naumburg v. 8.7.2013 – 9 W 5/13 – NZV 2014, 80 (Auf die Regelung des § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG kann sich der Geschädigte gemäß § 242 BGB z.B. dann nicht mehr berufen, wenn er in einem gegen den Schädiger geführten Prozesskostenhilfeverfahren schriftsätzlich erklärt hat, aufgrund der haltlosen Vorwürfe der Antragsgegner sei ersichtlich, dass der Antragsteller außergerichtlich und freiwillig von der Zweitbeklagten keinen Cent mehr bekommen werde).
[71] BGH v. 5.11.2002 – VI ZR 416/01 – BGHZ 152, 298 = MDR 2003, 215 = NJW 2003, 895 = NZV 2003, 80 = r+s 2003, 36 = SP 2003, 72 = VersR 2003, 99 = zfs 2003, 174 (Vorinstanz OLG Düsseldorf v. 29.10.2001 – 1 U 39/01 – SP 2002, 284); LG Münster v. 29.9.2003 – 15 O 116/03 – r+s 2005, 264 (Schriftliche Abrechnung des Sachschadens auf Grundlage einer 100 %-Haftung enthält ausreichende schriftliche Entscheidung. Der darüber hinaus verfolgte Personenschaden kann dann verjähren.).

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