Rz. 131

Seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.10.2004[258] hat sich eine umfangreiche Rechtsprechung zum Problem der Ersatzfähigkeit von Mietwagenkosten entwickelt. Der Bundesgerichtshof hat seine frühere Rechtsprechung, wonach der Geschädigte nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung verstößt, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem "Unfallersatztarif" anmietet, der gegenüber einem Normaltarif teurer ist, solange dies dem Geschädigten nicht ohne weiteres erkennbar ist,[259] modifiziert. Das Ziel war, die zum Teil erheblich überteuerten Unfallersatztarife, die nicht mehr maßgeblich von Angebot und Nachfrage bestimmt, sondern durch ein weitgehend gleichförmiges Verhalten der Mietwagenunternehmen geprägt waren und die die Unfallgeschädigten mit Blick auf die Eintrittspflicht der Haftpflichtversicherer klaglos in Kauf nahmen, schadensersatzrechtlich nicht mehr zu akzeptieren. Die Haftpflichtversicherer der Schädiger mussten aufgrund der früheren Rechtsprechung den Unfallersatztarif zahlen, hatten aber auf die Tarifwahl des Geschädigten keinen Einfluss. Leider ist das vom Bundesgerichtshof angestrebte Ziel nur unvollkommen erreicht worden. Die Mietwagenunternehmen und die Haftpflichtversicherer versuchen seit nunmehr fast zehn Jahren, die neue Rechtsprechung jeweils im Licht ihrer Interessen zu interpretieren und überschwemmen die Gerichte mit zahlreichen Rechtsstreitigkeiten zu Einzelfragen. Erfolg hat mal die eine, mal die andere Seite, weil die Tatrichter mit vielen Bewertungs- und Schätzungsproblemen allein gelassen sind.

 

Rz. 132

Immerhin sind die Geschädigten teilweise aus der Schusslinie genommen. Bietet der Mietwagenunternehmer dem Unfallgeschädigten einen besonderen für Unfallersatzfahrzeuge entwickelten Tarif an, der über dem Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt liegt, und besteht daher die Gefahr, dass der Haftpflichtversicherer des Schädigers nicht den vollen Tarif erstattet, so muss er den Mieter deutlich und unmissverständlich darüber aufklären mit der Folge, dass dem Mieter hinsichtlich des vom Haftpflichtversicherer des Schädigers nicht ersetzten Kostenanteils ein Schadensersatzanspruch zustehen kann, den er der Mietpreisforderung aufrechenbar entgegen halten kann.[260] Häufig wird der Streit über den zu ersetzenden Betrag zwischen Haftpflichtversicherer und Vermieter, der sich den Anspruch seines geschädigten Kunden von diesem hat abtreten lassen, ausgetragen. Der Bundesgerichtshof hat inzwischen in zahlreichen Verfahren entschieden, dass dies als Nebenleistung gemäß § 5 Abs. 1 RDG erlaubt ist, wenn allein die Höhe der Mietwagenkosten streitig ist, also kein Streit über den Grund der Haftung oder die Haftungsquote besteht und keine Schäden geltend gemacht werden sollen, die in keinem Zusammenhang mit der Haupttätigkeit stehen.[261] Übernimmt ein Kfz-Sachverständiger mit der Erstellung von Schadensgutachten zugleich die Einziehung des vom jeweiligen Geschädigten cm ihn abgetretenen Schadensersatzanspruchs auf Erstattung der Sachverständigenkosten, so liegt in der Einziehung dieser Schadensersatzansprüche kein eigenständiges Geschäft im Sinne von § 2 Abs. 2 RDG. Wie häufig der Sachverständige entsprechend verfährt, ist nicht erheblich.[262]

 

Rz. 133

Liegen keine Umstände vor, aus denen (objektiv) ohne weiteres ersichtlich ist, dass es sich um einen Unfall handelt, bei dem die Einziehung einer abgetretenen Schadensersatzforderung durch ein Mietwagenunternehmen nicht erlaubt ist, ist die Abtretung nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen das RDG unwirksam, weil noch nicht feststeht, wie sich der Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherer einlässt; in einem solchen Fall liegt auch kein Verstoß gegen § 4 RDG vor, denn die Einziehung einer Forderung auf Erstattung der Mietwagenkosten ist weder mit anderen Leistungspflichten des Erbringers unvereinbar noch ist hierdurch die ordnungsgemäße Erfüllung der Rechtsdienstleistungspflicht gefährdet.[263]

 

Rz. 134

Es erscheint schwierig, wieder Ruhe in das Regulierungsgeschehen zu bringen. Der Bundesgerichtshof hat allerdings mit Recht den zunächst angedachten Weg einer konkreten Ermittlung der betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten schon alsbald verlassen und den Instanzgerichten die Möglichkeit aufgezeigt, wegen der (möglichen) spezifischen Leistungen der Mietwagenunternehmen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte, wie etwa der Vorfinanzierung des Mietfahrzeugs, des Ausfallrisikos wegen falscher Bewertung der Haftungsquote, durch einen pauschalen Zuschlag zum Normaltarif Rechnung zu tragen,[264] wobei allerdings unfallbedingte Mehrkosten der Mietwagenfirma aufgezeigt werden müssen.[265] Dies wird auch in der Praxis so gehandhabt.[266] Häufig lassen sich die Fälle auch lösen, wenn danach gefragt wird, welcher Tarif dem Geschädigten in der konkreten Unfallsituation jeweils zugänglich war.

 

Rz. 135

Es ist nicht möglich, die vielen hundert veröffentlichten Entscheidungen der Tatgerichte zum Thema Mietwagenkosten im Rahmen ...

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