Rz. 21

Im Papierzeitalter wird ein Schriftsatz vor Versendung (z.B. per Fax) darauf hin überprüft, ob er vom Anwalt unterschrieben ist (= Unterschriftenkontrolle). Eine solche Unterschriftenkontrolle heißt im ERV "Signaturprüfung" und ist auch im elektronischen Zeitalter erforderlich.

 

Rz. 22

Signiert ein Anwalt mit einfacher elektronischer Signatur und nimmt den Eigenversand vor (siehe § 11 Rdn 20 u. 117 ff in diesem Werk), muss er nach unserer Auffassung die Richtigkeit seines eingetippten Namens selbst überprüfen und kann nicht "blind", d.h. ohne den Anhang zu öffnen, darauf vertrauen, dass ein Mitarbeiter schon den richtigen Namen eingetippt haben wird und der Schriftsatz vollständig und richtig ist, auf "senden" klicken. Die Signaturprüfung bei einfacher elektronischer Signatur muss er daher, weil gerade die Kombi aus einfacher elektronischer Signatur und Eigenversand gem. § 130a Abs. 3 S. 1 Alt. 2 ZPO erst die Wirksamkeit der Einreichung bestimmt, selbst vornehmen. Nach – unserer Auffassung entsprechender – Entscheidung des OLG Hamm hat ein Rechtsanwalt selbst zu überprüfen, ob ein Schriftsatz i.S.d. § 130a Abs. 1 ZPO am Ende eine erforderliche einfache elektronische Signatur enthält und darf diese Aufgabe nicht an seine Angestellten übertragen.[21]

 

Rz. 23

Bei Anbringung einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) muss vor dem Versenden einer Nachricht zwingend, unabhängig davon, ob vom Rechtsanwalt oder vom Mitarbeiter (nach gegebenen Voraussetzungen) versendet wird, immer geprüft werden,[22] ob die qualifizierte elektronische Signatur des Anwalts auch wirklich gültig ist und technisch keine Fehler passiert sind. Dazu wird das sich vom "Anhang signieren"-Button in einen "Signatur prüfen"-Button gewandelte Symbol (Haken) in der Zeile des zu prüfenden Schriftsatzes angeklickt und geprüft, ob das sich öffnenden Prüfprotokoll die Signatur als gültig ausweist (siehe hierzu auch § 11 Rdn 86 ff. in diesem Werk).

 

Rz. 24

Würde aufgrund nicht fehlender Signaturprüfung eine fehlgeschlagene qeS-Anbringung nicht auffallen, ist von einem Verschulden des Anwalts auszugehen, wenn er selbst gesendet hat. Hat ein Mitarbeiter ohne Signaturprüfung die Nachricht versendet und wäre die Signatur ungültig, dürfte eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur gelingen, wenn dem Anwalt kein Organisationsverschulden nachzuweisen ist. Es stellt sich die Frage, ob die technische Signaturprüfung auf Mitarbeiter delegiert werden kann oder aber diese Prüfung auch vom qualifiziert elektronisch signierenden Anwalt persönlich durchgeführt werden muss. Der BGH hat die Unterschriftenkontrolle durch Mitarbeiter im "Papierzeitalter" für zulässig erachtet:

Zitat

"Der Prozessbevollmächtigte einer Partei darf die Unterschriftenkontrolle einer sorgfältig überwachten und als zuverlässig erprobten Bürokräften überlassen (vgl. BGH NJW-RR 2020, 939 = MDR 2020, 625 Rn. 12; JurBüro 2017, 334 = BeckRS 2016, 5331 Rn. 5; NJW 2014, 3452 Rn. 8 mwN)."[23]

Das OLG Braunschweig hat in seiner Entscheidung – aufgrund der komplexen Vorgänge im elektronischen Rechtsverkehr – Bedenken dazu geäußert, ob eine Übertragung der Signaturprüfung auf Mitarbeiter möglich ist; letztendlich dann aber entschieden, dass eine Wiedereinsetzung ausscheidet, wenn lediglich die Anweisung besteht, "den ordnungsgemäßen Versand zu kontrollieren", und anstelle einer klaren Anweisung zur Signaturprüfung vor dem Versand dieser erfolgt und aufgrund fehlgeschlagener Signatur die Einreichung unwirksam war.[24] Nach diesseitiger Ansicht dürften hier dieselben Grundsätze wie vom BGH zur Unterschriftenkontrolle gelten. Sorgfältig überwachten und als zuverlässig erprobten Bürokräften kann nach unserer Auffassung die Signaturprüfung bei angebrachter qualifizierter elektronischer Signatur überlassen werden, da die Anforderungen einen "Button zu klicken" nicht höher sind als ein Schriftstück auf eine angebrachte Unterschrift hin zu prüfen. Es versteht sich von selbst, dass Mitarbeiter jedoch zuvor entsprechend anzuweisen und mit der Technik des beA vertraut zu machen sind. Mitarbeiter sind zudem zwingend entsprechend anzuweisen, dass vor dem Versand stets eine Signaturprüfung der qualifizierten elektronischen Signatur zu erfolgen hat und bei fehlgeschlagener Signatur der sachbearbeitende Anwalt oder seine Vertretung umgehend zu informieren ist, um der Fehlerquelle auf den Grund zu gehen und eine ordnungsgemäße Signierung vorzunehmen. Konkrete Rechtsprechung des BGH ist den Verfassern zu dieser Frage der Anforderungen an die Prüfung einer qualifizierten elektronischen Signatur durch Mitarbeiter bis zum Zeitpunkt der Drucklegung nicht bekannt geworden. Es bleibt daher der eigenständigen Entscheidung und Verantwortung der Anwälte vorbehalten, die Signaturprüfung auch bei Anbringung einer qualifizierten elektronischen Signatur so lange selbst vorzunehmen, bis eine solche Rechtsprechung für Rechtssicherheit sorgt.

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