Rz. 18

Bringt der Betroffene entlastende Umstände ohne ersichtlichen Grund erst verspätet vor, können ihm selbst im Falle eines Freispruches die dadurch entstandenen Verfahrenskosten auferlegt und kann von der Überbürdung der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse gem. § 109a Abs. 2 OWiG abgesehen werden.

Zuerst ist jedoch immer zu prüfen, ob überhaupt eine Verspätung im Sinne des § 109a OWiG vorgelegen hat (AG Aschaffenburg zfs 1996, 350 mit umfassender Anmerkung von Madert).

Zwar ist die Regelung verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich (BVerfG NZV 2014, 95), in solchen Fällen kann es allerdings bereits gegen die Verfassung verstoßen, wenn auch nur die notwendigen Auslagen von der Erstattung ausgenommen werden (BVerfG NJW 1994, 1855).

Dies gilt grundsätzlich auch für Bagatellbußgeldsachen (LG Aachen NZV 2019, 267).

 

Rz. 19

Im Übrigen sind entlastende Umstände im Sinn des § 109a Abs. 2 OWiG nur solche, die in der Sphäre des Betroffenen liegen, der Bußgeldbehörde unbekannt geblieben und ihr auch nicht ohne weiteres zugänglich sind (BVerfG NZV 2014, 95).

Deshalb darf von einer Überbürdung der dem Betroffenen entstandenen Auslagen auf die Staatskasse dann nicht abgesehen werden, wenn der Betroffene zwar spät auf eine maßgebliche Tatsache hinweist, es sich dabei aber nicht um einen der Sphäre des Betroffenen alleine zuzurechnenden Umstand handelt und die Behörde die entlastenden Fakten auch ohne Zutun des Betroffenen hätte ermitteln können (AG Leverkusen zfs 1997, 308; AG Langen zfs 2000, 265; AG Hanau zfs 2007, 536) bzw. der Betroffene seinen Einspruch mit dem Hinweis auf bereits aus der Ermittlungsakte ersichtliche Tatsachen begründet hat (AG Kusel zfs 2001, 479; AG Aschaffenburg DAR 2002, 136).

 

Rz. 20

 

Achtung: Schutz eines nahen Angehörigen

Bei der Anwendung des § 109a OWiG ist sein Normzweck zu beachten, der alleine darin besteht, Missbräuchen vorzubeugen. Er ist deshalb nur einschlägig, wenn ein nicht rechtzeitiges Vorbringen missbräuchlich oder unlauter ist, nicht jedoch, wenn ein vernünftiger und billigenswerter Grund für das Verhalten des Betroffenen bestand, wie z.B. dass er einen nahen Angehörigen vor der Verfolgung schützen wollte (LG Zweibrücken NZV 2007, 431; BVerfG NZV 2014, 95) oder er seine Fahrereigenschaft bestritten, einen Verantwortlichen aber zu keinem Zeitpunkt genannt hat (LG Cottbus NZV 2007, 536).

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