Rz. 19

Noch nicht abschließend geklärt ist, wie ein vertraglich vereinbarter Selbstbehalt des Versicherungsnehmers bei der Bildung der Kürzungsquote zu berücksichtigen ist. Hierbei können je nach Vorgehensweise ganz erhebliche Unterschiede im Ergebnis auftreten. Dies kann am Beispiel eines vom OLG Naumburg[15] entschiedenen Falls aufzeigt werden. Das OLG hatte beim Abkommen von der Fahrbahn, als der Fahrer sich bei Glatteisbildung und durchdrehenden Rädern eine Zigarette angezündet hat, eine Leistungsfreiheit in Höhe von 75 % für angemessen erachtet. Der verursachte Fahrzeugschaden hat 23.000 EUR (gerundet), der vereinbarte Selbstbehalt 2.500 EUR betragen.

 

Rz. 20

Hier kommen nun zwei Vorgehensweisen in Betracht. Wird auf den Fahrzeugschaden erst eine Kürzungsquote gebildet, ergibt sich ein Leistungsbetrag von 5.750 EUR (25 % von 23.000 EUR). Wenn sodann hiervon der vereinbarte Selbstbehalt abgezogen wird, erhält der Versicherungsnehmer einen Betrag in Höhe von 2.250 EUR (Quote vor Selbstbehalt). Wenn dagegen die andere Vorgehensweise gewählt wird, ergibt sich zugunsten des Versicherungsnehmers ein wesentlich höherer Auszahlungsbetrag. Wird nämlich zuerst der Selbstbehalt von der Schadenhöhe abgezogen, ergibt sich ein Betrag in Höhe von 21.500 EUR (23.000 EUR abzüglich 2.500 EUR). 25 % hiervon ergeben einen Auszahlungsbetrag in Höhe von 5.125 EUR (Selbstbehalt vor Quote).

 

Rz. 21

Das OLG Naumburg hat sich für letztere Vorgehensweise entschieden, ohne dies aber näher zu begründen. Den gleichen Weg haben auch das OLG Saarbrücken[16] sowie das OLG Karlsruhe[17] oder OLG Dresden[18] bei der Berechnung des Leistungsanspruchs der Höhe nach im Kaskofall gewählt. Das LG Aachen[19] spricht sich ebenfalls dafür aus, erst den Selbstbehalt von der Leistungshöhe abzuziehen und sodann erst eine quotale Leistungskürzung vorzunehmen. Begründet wird dies mit dem pauschalen Hinweis, dass der vereinbarte Selbstbehalt sich auf die Leistung des Versicherers beziehen würde. Dem hat sich nunmehr der 4. Senat des OLG Saarbrücken[20] ausdrücklich angeschlossen.

 

Rz. 22

Muster 14.6: Selbstbehalt vor Quote

 

Muster 14.6: Selbstbehalt vor Quote

Nach gefestigter Rechtsprechung ist bei der Ermittlung der Leistung in der Kaskoversicherung im Rahmen einer Leistungskürzung erst der Selbstbehalt und sodann die Kürzungsquote zu ermitteln (Beispielhaft: OLG Dresden, Urt. v.12.4.2019 – 4 U 557/18 – juris; OLG Saarbrücken, Urt. v. 1.12.2010 – 5 U 395/09 = zfs 2011, 151; OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.4.2014 – 9 U 135/13 = zfs 2014, 574; OLG Saarbrücken, Urt. v. 30.10.2014 – 4 U 165/13 = NJW-RR 2015, 411; LG Aachen, Urt. v. 14.7.2011 – 2 S 61/11 = SP 2011, 375; LG Hechingen, Urt. v. 3.12.2012 – 1 O 124/12 = zfs 2013, 392; ebenso OLG Naumburg, Urt. v. 3.12.2009 – 4 U 133/08 = SP 2010, 227 jeweils in der Sachversicherung).

Es ergibt sich danach folgende Berechnung: Nach Abzug des Selbstbehalts von _________________________ EUR verbleibt ein Betrag von _________________________ EUR. Sodann ist eine quotale Leistungskürzung mit _________________________ % um _________________________ EUR vorzunehmen. Dies führt zu einer nach der Kürzung verbleibenden Versicherungsleistung in Höhe von _________________________ EUR. Demnach _________________________.

 

Rz. 23

Die Rechtsprechung verfährt jedoch nicht einheitlich. So hat etwa das OLG Köln[21] (allerdings ohne nähere Begründung) zunächst die Wassersport-Kaskoentschädigung wegen grob fahrlässiger Herbeiführung einer Havarie um 30 % gekürzt und erst dann den vereinbarten Selbstbehalt berücksichtigt. Ebenso ist seitens des AG Düsseldorf[22] zuerst die Kürzungsquote gebildet und dann der Selbstbehalt abgezogen worden und diese Entscheidung wurde durch das LG Düsseldorf bestätigt.[23] Auch diese Vorgehensweise wurde nicht näher begründet. Gleichermaßen sind ferner beispielsweise das LG Traunstein[24] und das LG Berlin[25] in der Kaskoversicherung vorgegangen, ohne die Vorgehensweise bei der Berechnung näher zu erläutern. Schließlich hat das LG Erfurt[26] in der Gebäudeversicherung zuerst eine quotale Leistungskürzung in Höhe von 90 % vorgenommen und sodann festgestellt, dass sich der verbleibende Leistungsbetrag innerhalb des bei 1.500 EUR liegenden Selbstbehalts befindet und daher jeglicher Leistungsanspruch ausscheiden würde.

 

Rz. 24

Letztendlich dürfte diese Frage davon abhängen, welche Vereinbarung sich in den dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden AVB findet, und wie diese aus Sicht eines durchschnittlichen verständigen Versicherungsnehmers zu verstehen ist.[27] In den Muster AKB 2015 A.2.5.8 (bzw. AKB 2008 A.2.12) findet sich z.B. folgende Formulierung: "Ist eine Selbstbeteiligung vereinbart, wird diese bei jedem Schadenereignis von der Entschädigung abgezogen." Dies spricht eher dafür, dass erst einmal der zur Entschädigung ausstehende Betrag zu ermitteln ist, bevor die Selbstbeteiligung abgezogen wird. Der Begriff der Entschädigung dürfte aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers so zu verstehen sein, da...

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