Rz. 41

Dem Versicherungsnehmer ist es jedoch verwehrt, sich auf den Kausalitätsgegenbeweis zu berufen, wenn er arglistig i.S.d. § 28 Abs. 3 S. 2 VVG gehandelt hat. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass eine vom Versicherer zu beweisende Arglist nicht den Nachweis eines betrügerischen Handelns voraussetzt. Es genügt, dass z.B. der Versicherungsnehmer falsche Angaben tätigt und es dabei zumindest billigend in Kauf nimmt, durch diese falschen Angaben die Regulierungsentscheidung des Versicherers zu seinen Gunsten zu beeinflussen.[51] Eine Bereicherungsabsicht ist nicht erforderlich.[52] Es muss lediglich der Wille erkenntlich sein, die Regulierungsentscheidung des Versicherers durch Vorspiegelung falscher oder Verschweigen wahrer Tatsachen und einen darauf beruhenden Irrtum zu seinen Gunsten zu beeinflussen.[53] Arglistig handelt bereits, wer ohne hinreichende Erkenntnisgrundlage "ins Blaue hinein" unrichtige Angaben tätigt.[54] Dabei bedarf es keiner positiven Feststellung dahingehend, dass dem Versicherungsnehmer die Unrichtigkeit seiner Angabe bekannt war.[55] Dies gilt selbst dann, wenn der Erklärende selber gutgläubig davon ausgeht, dass seine Angaben stimmen, jedoch zugleich verschweigt, dass er gar nicht über die zur sicheren Beurteilung erforderliche Kenntnis zum Zeitpunkt der Erklärung verfügt.[56] Ein solcher Wille des Versicherungsnehmers liegt jedenfalls bei mehreren falschen Angaben nahe.[57] Arglist liegt auch nahe, wenn der Versicherungsnehmer noch zuvor gegenüber der Polizei wahrheitsgemäße bzw. umfassende Angaben gemacht hat, die sodann gegenüber dem Versicherer abgeändert bzw. wichtige Umstände verschwiegen werden.[58] Gleiches gilt bei wahrheitsgemäßen Angaben zuvor gegenüber Dritten.[59] Bloße Nachlässigkeit oder Überforderung steht aber der Annahme von Arglist entgegen.[60]

 

Rz. 42

Von besonderer Bedeutung ist auch, dass den Versicherungsnehmer, der objektiv falsche Angaben getätigt hat, eine sekundäre Darlegungslast trifft, wenn der Versicherer den Arglisteinwand erhebt.[61] Der Versicherungsnehmer muss dann plausibel darlegen, wie und warum es zu den falschen Angaben gekommen ist.[62] An diesen Vortrag ist ein strenger Maßstab anzulegen.

 

Rz. 43

Muster 14.11: Arglisteinwand zugunsten des Versicherers

 

Muster 14.11: Arglisteinwand zugunsten des Versicherers

Vorliegend ist ein arglistiges Verhalten zu bejahen. Für die Annahme einer Arglist genügt es, dass der Versicherungsnehmer mit einer Falschangabe einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt, etwa indem er Schwierigkeiten bei der Durchsetzung (ggf. auch berechtigter) Ansprüche ausräumen will und weiß, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann (BGH, Urt. v. 22.6.2011 – IV ZR 174/09 = zfs 2011, 573; BGH, Beschl. v. 23.10.2013 – IV ZR 122/13 = VersR 2014, 398; OLG München, Urt. v. 25.4.2014 – 10 U 3357/13 = zfs 2015, 213; KG Berlin, Beschl. v. 13.5.2014 – 6 U 190/13, juris; OLG Köln, Urt. v. 15.7.2014 – 9 U 204/13 = zfs 2015, 38; KG Berlin, Beschl. v. 31.10.2014 – 6 U 200/13, juris; OLG Hamm, Beschl. v. 6.2.2015 – 20 U 9/15 = VersR 2015, 1289). Eine Bereicherungsabsicht ist nicht erforderlich (zuletzt BGH, Beschl. v. 23.10.2013 – IV ZR 122/13 = VersR 2014, 398). Ausreichend ist es jedenfalls, wenn für die Falschangaben keine anderen Motive als eine Beeinflussung des Versicherers verständlich sind (OLG München, Urt. v. 9.3.2011 – 20 U 1643/09, juris; LG Münster, Urt. v. 14.3.2011 – 115 O 108/09 = r+s 2012, 82; LG Paderborn, Urt. v. 31.5.2012 – 3 O 141/11, juris) bzw. davon auszugehen ist, dass der Versicherungsnehmer den Versicherer vorsorglich von weiteren Ermittlungen abhalten will (OLG Stuttgart, Urt. v. 1.12.2016 – 7 U 114/16 = zfs 2017, 398; OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.2.2018 – 4 U 164/15 = r+s 2018, 206; KG Berlin, Beschl. v. 14.9.2010 – 6 U 205/09 = SP 2011, 83; LG Köln, Urt. v. 26.5.2011 – 24 O 452/10 = SP 2011, 404; LG Saarbrücken, Urt. v. 6.9.2011 – 14 S 2/11 = VersR 2012, 98).

Den Versicherungsnehmer trifft dabei eine sekundäre Darlegungslast und er hat insbesondere zu den inneren Tatsachen und seiner Motivation bei der falschen Angabe vorzutragen (BGH, Beschl. v. 7.11.2007 – IV ZR 103/06 = zfs 2008, 92; KG Berlin, Beschl. v. 13.5.2014 – 6 U 190/13, juris; OLG Hamm, Beschl. v. 6.2.2015 – 20 U 9/15 = VersR 2015, 1289). Dabei sind hohe Anforderungen an die Plausibilität und Schlüssigkeit des Vorbringens zu den Gründen für die Obliegenheitsverletzung zu stellen um zu verhindern, dass durch bloße Behauptungen eine nicht gerechtfertigte Leistung begründet wird (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 23.6.2010 – 7 U 90/09, juris; KG Berlin, Urt. v. 20.9.2013 – 6 U 194/12 = r+s 2015, 65; dazu auch KG Berlin, Beschl. v. 10.12.2013 – 6 U 155/13 = r+s 2015, 66; Nugel, MDR 2008, 1320, 1322).

Dies vorausgeschickt zeigt sich, dass vorliegend eine Arglist gegeben ist. _________________________.

[51] Zuletzt BGH, Beschl. v. 23.10.2013 – IV ZR 122/13 = VersR 2014, 398.
[52] Z.B. BGH, Urt. ...

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