Rz. 48

Die Bewilligung und Beiordnung sind meistens aber nicht immer miteinander verbunden. Es gibt Bewilligung ohne Beiordnung. § 121 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 FamFG sieht vor, dass der Anwalt in Verfahren, in denen anwaltliche Vertretung nicht vorgeschrieben ist, nur unter den Voraussetzungen des § 121 Abs. 2 ZPO und nur auf Antrag beigeordnet wird. Für die selbstständigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestimmt § 78 FamFG, dass in den Fällen, in denen eine Vertretung durch den Anwalt nicht vorgeschrieben ist (das sind die selbstständigen FG-Verfahren) auf Antrag ein Anwalt unter den Voraussetzungen gem. § 78 Abs. 2 FamFG beigeordnet wird. Im Ergebnis bedeutet das, dass ein Anwalt auch ohne Antrag in Ehesachen und entsprechenden Lebenspartnerschaftssachen, in Verbundsachen und in allen selbstständigen Familienstreitsachen gem. § 112 FamFG beigeordnet werden muss (§ 114 Abs. 1 FamFG), während der Anwalt in allen selbstständigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nur auf Antrag beigeordnet wird. Im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist die Vertretung durch einen Anwalt nicht vorgeschrieben (§ 114 Abs. 4 Nr. 1 FamFG). Auch in diesen Fällen muss die Beiordnung ausdrücklich beantragt werden. Das FamFG hat in § 78 Abs. 2 den Grundsatz der Waffengleichheit (§ 121 Abs. 2 ZPO) beseitigt und darüber hinaus die Beiordnung in den nicht anwaltspflichtigen Verfahren davon abhängig gemacht, dass die Sach- und Rechtslage so schwierig sein muss, dass ein Anwalt erforderlich erscheint. Diese Anforderungen haben die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und schließlich des BGH umschrieben:[45]

(1) Entscheidend ist, ob ein bemittelter Rechtsuchender in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte.
(2) Eine einzelfallbezogene Prüfung ist geboten.
(3) Maßgebend ist die Sach- und Rechtslage.
(4) Die Erforderlichkeit der Beiordnung beurteilt sich auch nach den subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten.
(5) Der Umstand, dass die andere Partei einen Anwalt hat, kann ein Kriterium für die Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage sein. Mit Hinweis auf BVerfG NJW RR 2007, 1713 hat der BGH eine verfassungskonforme Auslegung vorgenommen.[46]
 

Rz. 49

Auch wenn im konkreten Fall abzusehen sein sollte, dass eine Beiordnung nicht erfolgen wird, muss, wenn die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind, der Anwalt die Verfahrenskostenhilfe beantragen. Im selbstständigen Sorgerechts- und Umgangsverfahren z.B. wird mitunter ein Anwalt nicht beigeordnet, weil er (unrichtigerweise) für nicht "erforderlich" gehalten wird (§ 78 Abs. 2 FamFG). Es sind aber hohe Gutachterkosten zu erwarten, so dass im Hinblick auf die Wirkungen (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 122 Abs. 1 S. 1a ZPO) die Verfahrenskostenhilfe beantragt werden muss.

Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens nach § 165 FamFG ist die Beiordnung geboten, jedenfalls wenn das Verhältnis der Kindeseltern zueinander überdurchschnittlich von Konflikten geprägt ist.[47]

Im Zusammenhang mit der Beiordnung eines Anwalts im Umgangsverfahren ist eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2010 zu beachten, nach der einem Beteiligten im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe ein Rechtsanwalt beizuordnen ist, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich ist und ein bemittelter Rechtssuchender vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte.[48]

 

Rz. 50

Es ist umstritten, ob in den Fällen, in denen der notwendige Beiordnungsantrag vergessen wurde, von einer "stillschweigenden Beiordnung" oder einem "stillschweigend gestellten" Beiordnungsantrag gesprochen und damit der Vergütungsantrag begründet werden kann.[49]

 

Rz. 51

Es gibt aber auch Beiordnung ohne Bewilligung: In den Fällen von § 48 Abs. 2 S. 1 1. Fall, Abs. 3, Abs. 5 S. 2 Nr. 4 RVG liegt die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe für ein anderes Verfahren vor (z.B. im Fall des § 48 Abs. 3 RVG für die Ehescheidung), während die Beiordnung i.S.d. § 48 Abs. 3 RVG sich auf Folgesachen bezieht. Eine gesetzliche Erweiterung der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe ist in § 149 FamFG für den Versorgungsausgleich enthalten.

 

Rz. 52

Auch zeitlich müssen Bewilligung und Beiordnung nicht übereinstimmen. Die Beiordnung kann enden, während die Bewilligung fortbesteht (§ 48 Abs. 2 BRAO). Die Wirkungen der Verfahrenskostenhilfe gem. § 122 ZPO i.V.m. §§ 113 Abs. 1, 76 Abs. 1 FamFG, insbesondere das Verbot von dem beigeordneten oder beigeordnet gewesenen Anwalt, vom Mandanten Gebühren zu fordern, gilt nach dem Ende der Beiordnung weiter, bis auch die Bewilligung aufgehoben ist.

 

Rz. 53

Problematisch zeigt sich immer wieder der Umstand, dass das Gericht über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe oder Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten nicht oder nicht zeitnah entscheidet. Weder Mandant noch sein Verfahrensbevollmächtigter haben Sicherheit h...

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