(1) Auslagenerstattung allgemein

 

Rz. 96

Die Staatskasse erstattet auch Auslagen, für die der Anwalt im Reichenrecht von seinem Auftraggeber gem. §§ 670, 675 BGB ohne weitere Vereinbarung Ersatz verlangen könnte. Voraussetzung ist, dass die Auslagen notwendig i.S.d. § 91 ZPO i.V.m. §§ 113 Abs. 1, 80 FamFG sind. Es muss auch sachgerecht sein, dass gerade der Anwalt die Ausgaben tätigt und nicht die Partei. Im Einzelnen ist hier viel streitig. In jedem Fall empfiehlt sich unbedingt eine Abklärung, bevor die Ausgabe getätigt wird. Erstattungsfähig sind Auslagen außerdem nur, wenn sie nach der Beiordnung getätigt wurden oder sonst nach der Beiordnung hätten getätigt werden müssen.[106]

 

Rz. 97

Früher wurde der Anwalt, dessen Kanzleisitz nicht am Sitz des Prozessgerichts war, ohne weitere Umstände "zu den Bedingungen eines örtlichen Anwalts" beigeordnet, was bedeutete, dass er seine Reisekosten nicht aus der Staatskasse erstattet bekam. Der Bundesgerichtshof hat dann entschieden,[107] dass der Prozesspartei, die einen Anwalt an ihrem Wohnsitz oder Geschäftssitz zur Durchführung eines Rechtsstreits bei einem auswärtigen Gericht beauftragt, die Reisekosten durch den erstattungspflichtigen Gegner erstattet werden müssen, wenn der Partei ansonsten ein Verkehrsanwalt zugestanden hätte. Einige Zeit später übertrug der BGH diese Rechtsprechung, die im Reichenrecht ergangen war, auf die Prozesskostenhilfe.[108]

[106] Vgl. zu den Reisekosten des beigeordneten oder bestellten Anwalts ausführlich AnwK-RVG/Fölsch, § 46 Rn 8 ff.; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 46 RVG Rn 4–64.
[107] BGH, NJW 2003, 898 zum Unterbevollmächtigten und zum Korrespondenzanwalt.
[108] BGH NJW 2004, 2749 = JurBüro 2004, 604 = FamRZ 2004, 1362 = FPR 2004, 628 = BGHZ 159, 370.

(2) Reisekosten des Anwalts

 

Rz. 98

Maßgebend ist einerseits § 121 ZPO i.V.m. §§ 113 Abs. 1, 76 Abs. 1 FamFG, andererseits § 46 Abs. 1, 2 RVG.

Reisekosten[109] sind zu erstatten

(1) immer dem beigeordneten Anwalt, der im Gerichtsbezirk oder nahe dabei seine Kanzlei hat, die evtl. Reisekosten innerhalb des Bezirks (in 1. Instanz Amtsgerichtsbezirk, in 2. Instanz Bezirk des OLG, § 121 Abs. 3 ZPO, wobei die weitestmögliche Entfernung innerhalb des Bezirks bei der Abrechnung anzusetzen ist).
(2) Ist das nicht der Fall, hat der Anwalt also seinen Sitz außerhalb des Bezirks des Prozessgerichts, darf er nur zu den Bedingungen eines "im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Anwalts" beigeordnet werden. In diesem Fall ist zu prüfen, ob ein Verkehrsanwalt beizuordnen wäre. Wenn das der Fall ist (§ 121 Abs. 4 ZPO), sind dem Anwalt die Kosten bis zur Höhe der Kosten des Verkehrsanwalts zu erstatten.
(3) Wenn auch das nicht der Fall ist, die Bestellung eines Verkehrsanwalts also nicht durch "besondere Umstände" i.S.d. § 121 Abs. 4 ZPO erforderlich ist, ist letztlich zu prüfen, ob der Partei eine Informationsreise zu ihrem Anwalt zustünde. In diesem Fall sind dann die Reisekosten des Anwalts bis zur Höhe einer fiktiven Informationsreise zu erstatten.

Ein Verkehrsanwalt ist unter den Voraussetzungen des § 121 Abs. 4 ZPO i.V.m. §§ 113 Abs. 1, 76 Abs. 1 FamFG beizuordnen. Hierbei ist auf die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Rechtsstreits und auf die subjektiven Fähigkeiten der Beteiligten abzustellen (Schreibgewandtheit, Zumutbarkeit einer Informationsreise zum Anwalt am Ort des Gerichts, Möglichkeit schriftlicher Information angesichts Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Sache).[110] Zu berücksichtigen ist aber auch die Rechtsprechung des BVerfG, dass nämlich für den Bedürftigen die Grundsätze wie für Reiche gelten, dass im Prinzip immer ein Anspruch auf einen ortsnahen Vertreter (von Ausnahmefällen abgesehen) besteht. Die Prozesschancen bedürftiger und nicht bedürftiger Verfahrensbeteiligter sollen sich nicht wesentlich unterscheiden. Deshalb ist eine zumindest großzügige Auslegung des § 121 Abs. 4 ZPO geboten.[111] Dieser Gesichtspunkt wird durch die Beobachtung verstärkt, dass die bemittelten Verfahrensbeteiligten in aller Regel die Reise des Anwalts zu jedem auswärtigen Gericht wünschen. Die Beauftragung von Unterbevollmächtigten oder Prozessanwälten zum Verkehrsanwalt am Ort ist gerade in Familiensachen keineswegs die Regel.

 

Rz. 99

Ist der Anwalt unbeschränkt beigeordnet worden, kann er auch die Kosten unbeschränkt erstattet verlangen. Er sollte in jedem Fall Beschwerde einlegen,[112] wenn er zu den Kosten eines ortsansässigen Anwalts, wie früher üblich, beigeordnet wird. Andernfalls erhält er seine Reisekosten weder in Höhe der Kosten des fiktiven Verkehrsanwalts noch in Höhe der Kosten zumindest einer fiktiven Informationsreise erstattet.[113]

[109] Ausführlich AnwK-RVG/Fölsch, § 46 Rn 8 ff. bis 28 und Zimmermann, S. 168 f. Rn 274, S. 216 f. Rn 360 ff.
[110] BGH NJW 2004, 2749 = JurBüro 2004, 604 = FamRZ 2004, 1362 = FPR 2004, 628 = BGHZ 159, 370.
[111] BVerfG NJW 2004, 1789; das OLG Hamm FamRZ 2005, 1264 meint, dass immer ein Anspruch auf einen Verkehrsanwalt besteht; andere Gerichte führen aus, dass jeweils im konkreten Fall ein Verkehr...

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