Rz. 51

Durch § 510b ZPO soll es dem Kläger bei Verfahren vor den Amtsgerichten ermöglicht werden, gleichzeitig mit der Klage auf Erfüllung zur Vornahme einer Handlung auch Schadensersatz statt der Leistung zu verlangen und titulieren zu lassen.[21]

 

Rz. 52

Der Erfüllungsanspruch muss sich auf Vornahme einer Handlung richten. Dabei geht es nur um vertretbare und nicht vertretbare Handlungen i.S.d. §§ 887, 888 ZPO. Dies ergibt sich aus dem Verweis in § 888a ZPO auf diese Vorschriften. Auf Unterlassungs-, Duldungs- und Herausgabeansprüche ist § 510b ZPO daher nicht anwendbar.[22]

 

Rz. 53

 

Hinweis

Eine vertretbare Handlung i.S.d. § 887 ZPO liegt dann vor, wenn die Handlung statt vom Schuldner auch vom Gläubiger selbst oder einem Dritten vorgenommen werden kann, ohne dass sich aus Sicht des Gläubigers am wirtschaftlichen Erfolg und am Charakter der Leistung etwas ändert. Vertretbare Handlungen sind z.B. gegeben bei der Verpflichtung zur Beseitigung von Bäumen oder der Errichtung einer Lärmschutzwand.[23]

Eine unvertretbare Handlung liegt vor, wenn diese Handlung nur höchstpersönlich von dem Schuldner oder jedenfalls mit seiner höchstpersönlichen Mitwirkung erbracht werden kann, z.B. Erstellung eines Nachlassverzeichnisses oder Mitwirkung an der Vornahme einer gemeinschaftlichen Handlung, wie insbesondere der Abgabe einer Steuererklärung oder einer Klageerhebung.[24]

Auf die Abgrenzung zwischen einer vertretbaren und einer unvertretbaren Handlung kommt es im Verfahren nach § 510b ZPO nicht an, da bei beiden Arten von Handlungen das Verfahren nach § 510b ZPO zulässig ist.

 

Rz. 54

§ 510b ZPO ist als Ergänzung zu §§ 255, 259 ZPO zu sehen. Während bei §§ 255, 259 ZPO der Schadensersatzanspruch erst nach Ablauf der im Urteil gesetzten Frist entsteht und der Antrag auf Zahlung des Schadensersatzes zudem von der Voraussetzung abhängt, dass die Besorgnis besteht, dass der Schuldner nicht rechtzeitig leisten wird (§ 259 ZPO), kann im Verfahren nach § 510b ZPO ohne weitere Voraussetzung eine Verurteilung zur Zahlung der Entschädigung bereits vor Ablauf der gesetzten Frist auf Antrag ausgesprochen werden. Daraus folgt einerseits, dass der Schadensersatzanspruch bereits vor Ablauf der im Urteil gesetzten Frist vollstreckt werden kann, und andererseits, dass die Vollstreckung des Erfüllungstitels grundsätzlich ausgeschlossen ist (§ 888a ZPO).

 

Rz. 55

 

Hinweis

Sollte trotz eines Titels, der im Verfahren nach § 510b ZPO ergangen ist, durch den Gläubiger die Vollstreckung nach §§ 887, 888 ZPO betrieben werden, steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO hiergegen zu.[25]

 

Rz. 56

 

Tipp

Klären Sie bei Ihrer Mandantschaft ab, ob diese ein größeres Interesse an der Erfüllungshandlung hat oder eine Entschädigungsleistung bevorzugt. Nur im letzteren Fall bietet sich das Verfahren nach § 510b ZPO an.

 

Rz. 57

Aus dem Wortlaut des § 510b ZPO ergibt sich, dass die zu bestimmende Frist nicht mit in den Antrag aufgenommen werden muss. Wenn Sie dennoch eine bestimmte Frist in den Antrag aufnehmen, kann das Gericht keine kürzere, jedoch eine längere Frist bestimmen.[26]

 

Rz. 58

Da die Höhe der Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt ist, muss auch die Höhe der Entschädigung im Antrag nicht beziffert werden. Das Gericht muss im Übrigen nur dann über den Antrag auf Entschädigung entscheiden, wenn nach dem materiellen Recht ein Anspruch auf Vornahme der Handlung tatsächlich gegeben ist und eine Schätzung des Schadensersatzanspruchs der Höhe nach zumindest möglich ist. Daher ist dem Antrag auf Zahlung einer Entschädigung nicht stattzugeben, wenn eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig ist, um die Höhe der Entschädigung bestimmen zu können.[27]

 

Rz. 59

 

Tipp

Um dem Gericht zumindest eine Schätzung des Entschädigungsbetrages zu ermöglichen, sollten Sie ihm Schätzungsgrundlagen mitteilen. Zudem müssen Sie in Ihrem Antrag entsprechend der Angabe eines Wertes beim unbezifferten Schmerzensgeldanspruch einen Betrag angeben, der nach Ihrer Auffassung dem Entschädigungsbetrag entspricht. Dies erleichtert auch die Berechnung der Rechtsmittelbeschwer.

 

Rz. 60

Bei einem Antrag nach § 510b ZPO richtet sich der Zuständigkeitsstreitwert nur nach dem Hauptanspruch. Daher ist es für die Zuständigkeit unerheblich, ob der Entschädigungsanspruch in die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts fällt. Auch eine Zusammenrechnung der Streitwerte des Erfüllungs- und des Schadensersatzanspruches findet nicht statt. § 5 ZPO ist nicht anwendbar.

 

Rz. 61

Der Schuldner muss sämtliche Einwendungen gegen die Höhe des Entschädigungsanspruchs im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend machen.[28] Dies gilt insbesondere dann, wenn die vom Gericht im Urteil vorgenommene Schadensschätzung zu hoch war.

 

Rz. 62

 

Hinweis

Sie brauchen in Ihrer Klage nicht anzugeben, ob Sie Ihre Klage auf §§ 255, 259 ZPO oder auf § 510b ZPO stützen wollen. Da beide Anträge das gleiche Rechtsschutzziel haben, hängt die Frage, ob §§ 255, 259 ZPO oder die Spezialvorschrift des § 510b ZPO an...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge