Rz. 1

Das Verfahren vor den Amtsgerichten unterscheidet sich nur in einigen wenigen Bereichen von dem Verfahren vor den Landgerichten. Dies ergibt sich gesetzestechnisch bereits aus der in § 495 ZPO enthaltenen Generalverweisung auf die Vorschriften zum landgerichtlichen Verfahren. In den folgenden Ausführungen werden daher nur die Besonderheiten des Verfahrens vor den Amtsgerichten dargestellt.

 

Rz. 2

Dabei ist darauf hinzuweisen, dass derartige Besonderheiten nicht nur in den §§ 495510b ZPO geregelt sind. So gilt insbesondere der Anwaltszwang nach § 78 ZPO im Verfahren vor den Amtsgerichten in allgemeinen Zivilsachen nicht. Aus § 114 FamFG ergibt sich jedoch für eine Vielzahl von familiengerichtlichen Verfahren vor dem Amtsgericht ein Anwaltszwang. Nach § 114 Abs. 1 FamFG besteht dieser in Ehesachen i.S.d. § 121 FamFG und deren Folgesachen i.S.d. § 137 Abs. 2 und Abs. 3 FamFG sowie in selbstständigen Familienstreitsachen i.S.d. § 112 FamFG. § 114 Abs. 4 FamFG enthält zudem für diese Verfahren einen Ausnahmekatalog, bei dessen Eingreifen eine anwaltliche Vertretung nicht notwendig ist.

Aus dem fehlenden Anwaltszwang für die überwiegenden Verfahren vor dem Amtsgericht ergibt sich, dass grundsätzlich keine vorbereitenden Schriftsätze eingereicht zu werden brauchen (§ 129 Abs. 1 ZPO). Allerdings besteht für den Richter nach § 129 Abs. 2 ZPO die Möglichkeit, den Parteien aufzugeben, die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vorzubereiten. Wenn der Richter das schriftliche Vorverfahren anordnet, ergibt sich die schriftsätzliche Vorbereitung des Termins bereits aus § 276 Abs. 1 ZPO.

 

Rz. 3

 

Hinweis

Prüfen Sie vor der Einreichung einer Klage, ob in dem Bundesland, in dem Sie die Klage einreichen wollen, von der Ermächtigung nach § 15a EGZPO Gebrauch gemacht wurde.[1] Ihre Klage ist ohne Durchführung dieses vorgeschalteten außergerichtlichen Schiedsverfahrens unzulässig. Die Länder, die von der Ermächtigung Gebrauch gemacht haben, sind nach der derzeitigen Rechtslage: Bayern, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Saarland (bis 31.12.2020), Sachsen-Anhalt, Hessen (bis 31.12.2018), Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Mecklenburg Vorpommern und Niedersachsen. Bitte beachten Sie, dass die Verfahren in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich ausgestaltet sind.

(Vgl. auch § 2 Rdn 1 ff., "Das obligatorische außergerichtliche Schlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO")

 

Rz. 4

Die wichtigste (Sonder-)Regelung für das amtsgerichtliche Verfahren enthält § 495a ZPO. Danach kann das Gericht das Verfahren nach seinem billigen Ermessen ausgestalten. Einzelheiten und besondere Probleme dieses Verfahrens einschließlich der Rechtsmittel werden in einem gesonderten Abschnitt dargestellt (siehe Rdn 64 ff.).

 

Rz. 5

In einem weiteren Abschnitt wird Ihnen dann die Gehörsrüge nach § 321a ZPO vorgestellt (siehe Rdn 100 ff.).

 

Rz. 6

Aufgrund der Neufassung der ZPO durch das ZPO-Reformgesetz 2002 wurde mit der Gehörsrüge nach § 321a ZPO ein neuer Rechtsbehelf durch den Gesetzgeber eingeführt. Als Begründung wurde insbesondere eine Entlastung des Bundesverfassungsgerichts angeführt. Deshalb soll die entscheidende Instanz zunächst im Wege der Selbstkontrolle überprüfen, ob eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegt, um einen vorliegenden Verstoß korrigieren zu können und damit selbst das begangene Verfahrensunrecht zu beseitigen.[2] Ob dieser gesetzgeberische Zweck erreicht wird, ist zumindest zweifelhaft.[3]

 

Rz. 7

Durch die Entscheidung des Plenums des Bundesverfassungsgerichts vom 30.4.2003 wurde der Gesetzgeber aufgefordert, bis zum 1.1.2005 Regelungen zu den außerordentlichen Rechtsbehelfen zu treffen. Diesem Auftrag ist der Gesetzgeber durch das Anhörungsrügengesetz,[4] welches seit dem 1.1.2005 in Kraft ist, zumindest teilweise[5] gefolgt.

 

Rz. 8

Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf die Verordnung EG 861/2007, die seit dem 1.1.2009 in Kraft ist. Diese regelt grenzüberschreitende Streitigkeiten über Forderungen, deren Wert zum Zeitpunkt des Verfahrens 2.000 EUR nicht übersteigt. Übernommen wurden diese Regelungen im nationalen Recht in den §§ 1097 ff. ZPO.

[1] Vgl. auch § 13 Rdn 351.
[2] BT-Drucks 14/4722, 61, 63, 156.
[3] Schneider, ZAP 2003, Fach 13, 1197, 1198 bezeichnet die Vorschrift als psychologischen Schildbürgerstreich.
[4] Gesetz v. 9.12.2004, BGBl I 2004, 3220.
[5] Zöller/Vollkommer, § 321a Rn 1; zu Einzelheiten siehe Ernst, JurBüro 2009, 229 ff.; Freitag/Leible, BB 2009, 2 ff.

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