Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 41
Das Gericht hat den Schuldner grundsätzlich nach § 891 ZPO zum Antrag des Gläubigers zu hören. Da weder § 891 ZPO noch § 78 ZPO hier eine Ausnahme vorsehen, gilt auch für den Schuldner der Anwaltszwang für seine Stellungnahme im Rahmen der Anhörung nach § 891 ZPO.
Rz. 42
Der Schuldner kann sich dann zunächst nach allgemeiner Auffassung mit den Einwänden zur Wehr setzen, dass:
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die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nicht vorliegen, |
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der Gläubiger die Vornahme der vertretbaren Handlung verhindert habe, |
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die sich aus dem Vollstreckungstitel ergebende Verpflichtung keine vertretbare Handlung, sondern eine unvertretbare Handlung darstelle, sodass der Gläubiger das falsche Verfahren gewählt habe, |
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der geforderte Kostenvorschuss unangemessen sei. |
Rz. 43
Umstritten war bisher, ob und wenn ja, welche materiell-rechtlichen Einwendungen der Schuldner mit seiner Stellungnahme nach § 891 ZPO erheben kann, sodass diese Berücksichtigung finden – etwa, dass die geschuldete Handlung vorgenommen sei.
Rz. 44
Hinweis
Grundsätzlich gilt, dass materiell-rechtliche Einwendungen nur mit der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO (siehe hierzu § 16) erhoben werden können. Bei der Vollstreckung einer vertretbaren Handlung ergibt sich aber die Besonderheit, dass hier nach § 887 ZPO ebenso wie bei der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO das Prozessgericht erster Instanz zuständig ist.
Rz. 45
Für die Frage, ob und inwieweit der Erfüllungseinwand im Verfahren nach § 887 ZPO zu berücksichtigen ist, wurden unterschiedliche Auffassungen vertreten:
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Nach der ablehnenden Auffassung muss der Schuldner den Erfüllungseinwand stets im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO verfolgen. Zur Begründung stellt diese Auffassung darauf ab, dass § 767 ZPO der vom Gesetzgeber vorgesehene Weg sei, materielle Einwendungen wie die Erfüllung im Zwangsvollstreckungsverfahren geltend zu machen. Der Wortlaut des § 767 Abs. 1 ZPO ("sind") lasse keine Wahl zu. Das Zwangsvollstreckungsverfahren sei stark formalisiert, der Erfüllungseinwand darin systemwidrig. Die Erfüllung gehöre, wie § 775 Nr. 4 und Nr. 5 ZPO zeige, nur eingeschränkt in die Prüfungskompetenz des Vollstreckungsorgans. Die Entscheidung über den Erfüllungseinwand im Vollstreckungsverfahren erwachse nicht in Rechtskraft. Ließe man den Einwand der Erfüllung im Vollstreckungsverfahren zu, könnte der Schuldner mit immer wieder neuen Behauptungen das Vollstreckungsverfahren ohne eine Vorschussleistung in die Länge ziehen und so die berechtigten Interessen des Gläubigers auf Durchsetzung seines rechtskräftigen Titels unterlaufen. Schließlich bestünde auch die Gefahr widersprechender Entscheidungen, wenn der Schuldner im Vollstreckungsverfahren unterliege und danach die Vollstreckungsgegenklage erhebe. Der Schuldner erleide durch die Verweisung auf die Vollstreckungsgegenklage hingegen keinen Nachteil, angesichts der Einstellungsmöglichkeit nach § 769 ZPO seien die Verfahren letztlich gleichwertig. |
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Nach einer ersten "vermittelnden" Ansicht soll der Erfüllungseinwand dann im Vollstreckungsverfahren nach § 887 ZPO zu berücksichtigen sein, wenn die Tatsachen unstreitig oder mit liquiden Beweismitteln festzustellen oder offenkundig sind. Dass bestimmte Beweismittel im Zwangsvollstreckungsverfahren zu berücksichtigen seien, zeige der Rechtsgedanke des § 775 Nr. 4 und 5 ZPO. Sei die Erfüllung unstreitig, fehle dem Gläubiger das Rechtsschutzinteresse. Ergäbe sich aber die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme, nähme man dem Gläubiger den Vorteil des vollstreckbaren Titels. |
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Nach einer weiteren "vermittelnden" Ansicht soll ein materieller Einwand dann beachtet werden, wenn es um die Prüfung geht, ob eine unstreitig vom Schuldner vorgenommene Handlung dem Vollstreckungstitel genügt. In diesen Fällen sei der Antrag des Gläubigers dahin zu verstehen, dass der Schuldner im Wege der Zwangsvollstreckung angehalten werden solle, über das hinaus, was bereits geschehen sei, etwas zu leisten. Gegenüber einem solchen Antrage habe das Vollstreckungsgericht zu prüfen, ob der Gläubiger nach dem Schuldtitel berechtigt sei, dasjenige, was er über das Bisherige hinaus mehr verlange, vom Schuldner zu erzwingen. |
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Letztlich wird die Auffassung vertreten, dass der Einwand der Erfüllung grundsätzlich im Verfahren nach § 887 ZPO zu berücksichtigen sei. Schon der Wortlaut des § 887 ZPO spreche dafür, den Erfüllungseinwand im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Nichterfüllung sei danach tatbestandliche Voraussetzung, um den Gläubiger zur Ersatzvornahme zu ermächtigen. Es sei nicht Sinn und Zweck des § 887 ZPO, dem Gläubiger Rechtsschutz zu gewähren, wenn er ihn wegen Erfüllung durch den Schuldner nicht mehr brauche. Der Schuldner habe ein schutzwürdiges Interesse daran, dass die Erfüllungswirkung seiner Handlungen geprüft werde, bevor der Gläubiger zu möglicherweise unsinnigen und kostspieligen Ersatzvornahmen ermächtigt werde oder durch (erneute) Vornahme der Handlung... |