Rz. 559

Die Besorgnis der Befangenheit nach § 42 Abs. 2 ZPO kann sich auch aus einer unsachgemäßen Verfahrensführung des Richters ergeben.

 

Rz. 560

Allerdings muss beachtet werden, dass nicht schon jeder Verfahrensfehler auch die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt.[414] Vielmehr muss der Verfahrensfehler den Charakter der Willkür in sich tragen. Dies kann allerdings auch dann der Fall sein, wenn es zu einer Vielzahl von Verfahrensfehlern kommt.

 

Rz. 561

Die Besorgnis der Befangenheit wegen der unsachgemäßen Verfahrensführung kann angenommen werden, wenn:

der Richter nicht bereit ist, Parteivorbringen zur Kenntnis zu nehmen;[415]

der Richter das persönliche Erscheinen der Partei für den Fall anordnet, dass diese die Klage nicht zurücknimmt;[416]

 

Hinweis

Etwas anderes dürfte allerdings dann gelten, wenn das persönliche Erscheinen angeordnet wird, damit der Richter der Partei die Gründe erläutert, die zu der Beurteilung führen, dass eine Klage unzulässig oder unbegründet ist. Der Ladung der Partei muss also insoweit eine Willkür innewohnen, als die persönliche Ladung der Belastung der Partei ohne sachlichen Grund dient. Dies gilt auch für die Ladung nur einzelner Parteien nach § 141 ZPO.[417]

der Richter die Parteivernehmung nach § 448 ZPO einer Partei anordnet, obwohl die Voraussetzungen offensichtlich nicht vorliegen;[418]
der Richter dem Bevollmächtigten ohne sachlichen Grund das Wort entzieht;[419]
der Richter sich weigert, in der mündlichen Verhandlung Anträge entgegenzunehmen und gem. § 160 ZPO zu protokollieren;[420]
der Richter sich weigert, seine durch die Partei oder den Bevollmächtigten akustisch nicht verstandene Äußerung zu wiederholen;[421]
die Forderung eines sachlich nicht begründeten und überhöhten Kostenvorschusses für ein Sachverständigengutachten erhoben wird;[422]
die "Ortsbesichtigung" außerhalb einer förmlichen Beweisaufnahme oder mündlichen Verhandlung in Begleitung nur einer der Parteien stattfindet;[423]
eine sachlich nicht begründete Untätigkeit des Richters zu verzeichnen ist;[424]
Terminsanträge mehrfach und ohne sachlichen Grund nicht beschieden werden;[425]
eine beantragte Terminsverlegung verweigert wird, wenn die vorgetragenen Gründe für den Verlegungsantrag erheblich sind und mit der Verweigerung eine augenfällige Ungleichbehandlung der Prozessparteien zum Ausdruck kommt;[426]
ein Richter ein psychiatrisches Gutachten zur Prüfung der Prozessfähigkeit der Partei eingeholt hat, ohne sich zuvor durch ihre Anhörung einen persönlichen Eindruck über ihre Prozessfähigkeit verschafft zu haben. Ein solcher Umstand ist geeignet, bei der Partei den Anschein zu erwecken, er sei ihr gegenüber voreingenommen.[427]
 

Rz. 562

Keine Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen dagegen:

die Anhörung des Sachverständigen unter Ausschluss der Parteien zur Vorbereitung eines Vergleichsvorschlags;[428]
Die Bekanntgabe eines Klägerschriftsatzes an den bestellten Sachverständigen mit Vorwürfen gegen dessen Sachkunde und die Qualität des Gutachtens begründet keine Besorgnis der Befangenheit eines abgelehnten Richters, da dessen Stellungnahme zu den Vorwürfen geboten sein kann und daher die Weiterleitung erfordert;[429]

die Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags;[430]

 

Hinweis

Die Durchführung eines Sammeltermins trotz Antrags auf Durchführung eines Einzeltermins rechtfertigt nach Auffassung des BGH ebenfalls nicht die Befangenheitsablehnung. Es sei nicht zu beanstanden, wenn der terminierende Richter entsprechend seiner jahrelangen Terminierungspraxis im frühen ersten Termin fünf Termine pro halbe Stunde ansetzt.[431]

wenn ein Richter durch den Inhalt eines Hinweises zu erkennen gibt, dass er die seine Entscheidung aufhebende und ihn gem. § 572 ZPO bindende Beschwerdeentscheidung für unrichtig hält, dabei Tatsachen zugrunde legt, die keine Partei vorgetragen hat, zudem ohne nachvollziehbare Begründung einen den Erfordernissen des § 227 ZPO genügenden Terminsverlegungsantrag zurückweist und einen ihm unterlaufenen prozessualen Fehler in seiner dienstlichen Äußerung damit zu rechtfertigen versucht, bei der Gegenpartei handele es sich um ein "seriöses Autohaus";[432]
der Erlass eines Versäumnisurteils, nach Ablauf der Terminsstunde und Ablauf des fernmündlich mitgeteilten Verspätungszeitraums des Beklagtenvertreters.[433]
 

Rz. 563

 

Hinweis

Kommt es zwischen dem Bevollmächtigten und dem Vorsitzenden eines Kollegialgerichts zu Meinungsverschiedenheiten über die Zulässigkeit von Fragen an einen Zeugen, so kann hierauf nicht unmittelbar die Ablehnung des Richters gestützt werden. Vielmehr muss zunächst eine Entscheidung nach § 397 Abs. 3 ZPO herbeigeführt werden.[434]

[414] OLG Köln OLGR 2004, 427.
[415] OLG Hamm VersR 1978, 646.
[416] OLG Köln NJW-RR 1997, 1083.
[417] OLG Köln OLGR 2004, 259.
[418] LG Berlin MDR 1982, 154.
[419] OLG Nürnberg AnwBl 1962, 282.
[420] OLG Köln NJW-RR 1999, 288.
[421] LG Kiel SchlHA 1985, 178.
[422] OLG Karlsruhe OLGZ 1984, 102.
[423] OLG Düsseld...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge