Rz. 486

Nach § 149 ZPO kann das Gericht den Rechtsstreit von Amts wegen oder auf Antrag[347] aussetzen, wenn sich der Verdacht einer Straftat ergibt und die diesbezüglichen Ermittlungen Einfluss auf die Entscheidung des Rechtsstreits haben können.

 

Rz. 487

Die Aussetzung steht im freien Ermessen des Gerichts, wobei berücksichtigt werden muss, dass einerseits die Entscheidung im Strafverfahren das Zivilgericht nicht bindet, anderseits die Nutzung konkret zu benennender besserer Erkenntnismöglichkeiten des Strafverfahrens sinnvoll sein kann.

 

Rz. 488

 

Hinweis

Eine Aussetzung der Verhandlung nach § 149 ZPO setzt voraus, dass die im Rahmen des richterlichen Ermessens vorzunehmende Abwägung den Stillstand des Zivilverfahrens rechtfertigt. Wenn infolge des Zeitablaufs eine ernsthafte Gefahr einer Erschwernis der späteren Realisierung eines Anspruchs besteht, haben die Interessen des Klägers, alsbald einen Vollstreckungstitel zu erhalten, Vorrang vor einer etwaigen Klärung in einem Strafverfahren.[348]

 

Rz. 489

Nicht erforderlich ist, dass das Strafverfahren bereits eingeleitet ist. Die Einleitung des Strafverfahrens kann vielmehr auch durch das aussetzende Gericht erfolgen, indem der Rechtsstreit ausgesetzt und die Akten der zuständigen Staatsanwaltschaft vorgelegt werden.

 

Rz. 490

Nicht ausreichend ist, dass der Verdacht einer Straftat nicht auszuschließen ist. Vielmehr muss das aussetzende Gericht selbst aufgrund konkreter Anhaltspunkte den Verdacht haben, dass eine Straftat vorliegen könnte. Aus diesem Grunde muss der Aussetzungsbeschluss nach § 149 ZPO auch begründet werden.[349] Die streitigen Umstände, auf die es im Zivilverfahren ankommt und die im Strafverfahren leichter oder einfacher geklärt werden können, müssen dabei konkret und eingehend herausgearbeitet werden. Eine pauschale Begründung hält sich nicht innerhalb des dem Gericht eingeräumten Ermessensspielraumes.[350] Der pauschale Hinweis auf "überlegene Erkenntnismöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden" stellt eine unzulässige Leerformel dar.[351]

 

Rz. 491

 

Hinweis

Aus dem Beschluss über die Aussetzung des Verfahrens nach § 149 ZPO und dessen Begründung können sich Anhaltspunkte für eine Ablehnung des Richters ergeben, wenn die Aussetzung nur auf Spekulationen und Vermutungen basiert, ohne hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat zu nennen. Allerdings genügt dafür nicht, dass das Ermittlungsverfahren später eingestellt wird.

 

Rz. 492

§ 149 ZPO kann in unterschiedlichen Konstellationen zur Anwendung kommen, etwa wenn:

der Verdacht besteht, dass ein Zeuge durch seine Aussage im Prozess sich einer uneidlichen Falschaussage oder eines Meineides strafbar gemacht haben könnte;

der Verdacht eines fingierten Unfallereignisses besteht;

 

Hinweis

Gerade in Verfahren, in denen die Entscheidung von einer Vielzahl von Indizien abhängt, wie bei der Behauptung, ein Unfallereignis sei fingiert, kann es sinnvoll sein, das zivilgerichtliche Verfahren auszusetzen und durch das Strafverfahren die Möglichkeit wahrzunehmen, angenommene Indizien für ein fingiertes Ereignis zu widerlegen oder aber auch zusätzliche Indizien zu gewinnen.

bei der Inanspruchnahme des Kaskoversicherers der Verdacht besteht, dass der Diebstahl des versicherten Fahrzeuges "bestellt" wurde.
 

Rz. 493

Keine Aussetzung soll nach einer Entscheidung des OLG Koblenz[352] dagegen in Arzthaftungssachen in Betracht kommen. Im Arzthaftungsprozess werde im Allgemeinen der mit einer Aussetzung des Verfahrens bei Verdacht einer Straftat gem. § 149 ZPO verfolgte Zweck nicht erreicht. Denn im Arzthaftungsprozess stelle sich die Rechts- und die Beweislage oft wesentlich anders dar als im Strafverfahren. Die im Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse seien nur in wenigen Fällen von Nutzen. Erfahrungsgemäß habe das Zivilgericht, unabhängig vom Ausgang des Strafverfahrens, die Beweisaufnahme ganz oder in Teilen zu wiederholen und eine eigene Beweiswürdigung vorzunehmen.

 

Rz. 494

Nach § 149 Abs. 2 S. 1 ZPO ist das ausgesetzte Verfahren nach Ablauf eines Jahres fortzusetzen, wenn eine Partei dies beantragt.[353]

 

Rz. 495

 

Tipp

Der Bevollmächtige wird diese Jahresfrist nach § 149 Abs. 2 ZPO, die mit der Zustellung des Aussetzungsbeschlusses beginnt, zu notieren haben. Nach Ablauf der Jahresfrist ist mit dem Mandanten zu erörtern, ob ein eigener Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens gestellt werden soll. Dies wird insbesondere im Interesse der Partei liegen, die sich dem Verdacht der Straftat ausgesetzt sieht, wenn das Ermittlungsverfahren noch keine wesentlichen Ergebnisse gezeigt hat.

 

Rz. 496

Das Gericht kann die Aufnahme des Verfahrens nach Ablauf eines Jahres auf Antrag einer Partei ablehnen, wenn gewichtige Gründe für die Aufrechterhaltung der Aussetzung sprechen, § 149 Abs. 2 S. 2 ZPO. Solche wichtigen Gründe können sein, dass wesentliche Ermittlungsmaßnahmen, etwa Zeugenvernehmungen, Beschuldigtenvernehmungen oder auch Durchsuchungen unmittelbar bevorstehen oder dass die Abschlussverfügung der Staatsanwalts...

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