Rz. 516

Nach § 251 ZPO kann das Gericht auf Antrag beider Parteien das Ruhen des Verfahrens anordnen, wenn anzunehmen ist, dass wegen außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Vorschrift des § 251 ZPO findet auch im selbstständigen Beweisverfahren Anwendung, weil sie mit dessen Sinn und Zweck grundsätzlich vereinbar ist. Allerdings ist die Anordnung des Ruhens nur dann zweckmäßig, wenn das Verfahren – jedenfalls im betroffenen Stadium – nicht eilbedürftig ist,[369] etwa weil die eigentliche gutachterliche Beweissicherung schon erfolgt ist.

 

Rz. 517

 

Hinweis

Die Praxis zeigt, dass an die Darlegung eines "sonstigen wichtigen Grundes" keine hohen Anforderungen gestellt werden, wenn nur beide Parteien das Ruhen des Verfahrens nach § 251 ZPO beantragen.

 

Rz. 518

Hat das Gericht Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt und erscheinen beide Parteien nicht, so kann das Gericht den Rechtsstreit entweder nach § 227 ZPO vertagen oder aber ebenfalls das Ruhen des Verfahrens anordnen, ohne dass es hierfür eines wichtigen Grundes bedarf.

 

Rz. 519

Besonders beachtet werden muss § 251 S. 2 ZPO, wonach die Anordnung des Ruhens des Verfahrens auf die Notfristen oder die sonstigen Fristen des § 233 ZPO keinen Einfluss hat.

 

Rz. 520

Alle Notfristen und sonstigen von § 233 ZPO erfassten Fristen laufen weiter, d.h. insbesondere die Fristen für:

die Abgabe der Verteidigungsanzeige,
die Zustimmung zur Erledigungserklärung nach § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO,
die Zustimmung zur Klagerücknahme nach § 269 Abs. 2 S. 4 ZPO,
eine sofortige Beschwerde,
eine Tatbestandsberichtigung,
eine Berufung oder eine Berufungsbegründung.
 

Rz. 521

 

Hinweis

Zugleich stellt das Ruhen des Verfahrens ein Nichtbetreiben des Verfahrens nach § 204 Abs. 2 BGB dar, so dass die Hemmung der Verjährung sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung der Parteien oder des Gerichts, d.h. dem Beschluss über die Anordnung des Ruhens des Verfahrens, endet. Dies bedeutet, dass der Bevollmächtigte eine besondere Verantwortung bei der Überwachung der Notfristen und Verjährungsfristen hat und hier ein erhebliches Haftungsrisiko zu sehen ist.

 

Rz. 522

 

Tipp

Soll das Verfahren aufgrund des übereinstimmenden Willens beider Parteien zum Ruhen gebracht werden, und ist eine Verjährung von Ansprüchen – schon allein aufgrund der neuen kurzen Verjährungsfristen – nicht gänzlich auszuschließen, empfiehlt es sich, einen Verzicht über die Einrede der Verjährung im Rahmen des § 202 ZPO zu vereinbaren.[370]

 

Rz. 523

Zu einem Ruhen des Verfahrens kommt es auch dann, wenn beide Parteien in der Güteverhandlung nicht erscheinen, § 278 Abs. 4 ZPO. Schlägt das Gericht den Parteien nach § 278 Abs. 5 ZPO eine außergerichtliche Streitschlichtung vor und entscheiden sich die Parteien hierzu, ruht das Verfahren gleichfalls nach § 251 ZPO.

 

Rz. 524

Der Antrag auf Ruhen des Verfahrens nach § 251 ZPO muss von beiden Parteien gestellt werden, wobei der Antrag einer Partei bei Zustimmung der anderen Partei genügt.[371]

 

Rz. 525

Das Ruhen des Verfahrens ist zweckmäßig, wenn:

zwischen den Parteien außergerichtliche Vergleichsverhandlungen schweben,
zwischen den Parteien über einen Klageverzicht oder ein Anerkenntnis unter Berücksichtigung vollstreckungsrechtlicher Fragen verhandelt wird,
der Ausgang eines Parallelprozesses abgewartet werden soll,[372]

der Ausgang eines Musterprozesses abgewartet werden soll,

 

Hinweis

Über § 251 ZPO können die Parteien so eine faktische Aussetzung des Verfahrens auch dann erreichen, wenn das Gericht eine förmliche Aussetzung nach § 148 ZPO ablehnt oder daran aufgrund der fehlenden Voraussetzungen von § 148 ZPO gehindert ist.

die Parteien eine außergerichtliche Streitschlichtung, etwa durch ein Sachverständigengutachten, eingeleitet haben.
 

Rz. 526

Auch für das Ruhen des Verfahrens nach § 251 ZPO gilt § 249 Abs. 1 und 2 ZPO, so dass laufende Fristen unterbrochen werden und Prozesshandlungen des Gegners keine Wirkung entfalten.[373] Dies gilt jedoch gemäß der ausdrücklichen Ausnahme in § 251 Abs. 1 S. 2 ZPO nicht für die in § 233 ZPO genannten Fristen. Auch für Rechtsmittelbegründungsfristen, d.h. insbesondere die Berufungsbegründungsfrist, gilt dies nicht.[374]

 

Rz. 527

§ 249 ZPO bestimmt dabei, dass die Fristen nach der Wiederaufnahme des Verfahrens vollständig von Neuem zu laufen beginnen.

 

Rz. 528

 

Beispiel

Ordnet das Gericht das schriftliche Vorverfahren nach § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO an und setzt es dem Beklagten eine Klageerwiderungsfrist von drei Wochen ab dem Ablauf der Frist zur Verteidigungsanzeige und wird das Verfahren wegen aufgenommener Vergleichsverhandlungen der Parteien eine Woche nach Zustellung der Verfügung über die Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens zum Ruhen gebracht, so gilt es, zwei Fristen zu beachten.

Zunächst muss der Beklagte in der Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens die Verteidigungsanzeige abgeben, da diese Notfrist nach § 251 S. ...

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