Rz. 573

Die Ablehnung eines Richters ist nach § 44 Abs. 1 ZPO mittels eines Ablehnungsgesuchs geltend zu machen. Das Ablehnungsgesuch kann schriftlich[453] oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden, was nach § 78 Abs. 5 ZPO dazu führt, dass auch im Anwaltsprozess der Antrag auf Ablehnung eines Richters von der Partei selbst gestellt werden kann, da dieser dem Anwaltszwang nicht unterliegt.

 

Rz. 574

Das Ablehnungsgesuch ist an das Gericht zu richten, dem der abgelehnte Richter angehört.

 

Rz. 575

 

Hinweis

Ein Ablehnungsgesuch pauschal "gegen die Kammer" ist unzulässig.[454]

 

Rz. 576

Nach § 44 Abs. 2 S. 1 ZPO ist der Ablehnungsgrund glaubhaft zu machen, so dass § 294 ZPO zur Anwendung kommt. Allerdings ist die ablehnende Partei selbst zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht berechtigt. Der Ablehnungsgrund kann aber durch eine eidesstattliche Versicherung des Bevollmächtigten der Partei glaubhaft gemacht werden.[455] Ein Ablehnungsgrund ist gem. § 44 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht, wenn hierfür eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht. Ob der geltend gemachte Grund angesichts gegenteiliger Darstellung des abgelehnten Richters und übriger Prozessbeteiligter glaubhaft gemacht ist, unterliegt der freien Würdigung durch das entscheidende Gericht.[456] Bei einem nicht aufzuklärenden Widerspruch zwischen der Glaubhaftmachung der Partei und der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters spricht nach Auffassung des OLG Stuttgart nach der gesetzgeberischen Intention des § 42 Abs. 2 ZPO der Anschein gegen den Richter und dem Ablehnungsgesuch ist stattzugeben.[457]

 

Rz. 577

 

Hinweis

Beachtet werden muss, dass bei einer Ablehnung wegen der Gesamtumstände der Verfahrensführung aufgrund einer Vielzahl von einzelnen Vorkommnissen jedes Vorkommnis glaubhaft gemacht werden muss.[458]

 

Rz. 578

Darüber hinaus können schriftliche Erklärungen von Zeugen oder eidesstattliche Versicherungen vorgelegt werden.[459] Weiterhin können schriftliche Mitteilungen des Richters vorgelegt oder auf seine dienstliche Äußerung Bezug genommen werden. Auch auf entsprechende Verfügungen und Vermerke des Richters in der Prozessakte kann zur Glaubhaftmachung Bezug genommen werden.

 

Rz. 579

 

Tipp

Will sich die Partei zunächst über mögliche Vermerke und Verfügungen des Richters orientieren und prüfen, ob diese eine Ablehnung rechtfertigen, so geht das Ablehnungsrecht nicht durch das Gesuch auf Akteneinsicht verloren.[460]

 

Rz. 580

Nach § 44 Abs. 2 S. 2 ZPO kann zur Glaubhaftmachung auch auf das Zeugnis des abgelehnten Richters Bezug genommen werden, der sich nach § 44 Abs. 3 ZPO über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern hat.

 

Rz. 581

 

Hinweis

Die dienstliche Äußerung des Richters sollte immer sorgfältig geprüft werden. Häufig ergibt sich aus der Reaktion des Richters auf das Ablehnungsgesuch ein (weiterer) Ablehnungsgrund,[461] wenn wirklich eine Besorgnis der Befangenheit besteht.[462]

 

Rz. 582

 

Hinweis

Die dienstliche Äußerung ist nicht nur dem Antragsteller,[463] sondern auch der Gegenpartei zuzuleiten. Letzteres gilt jedenfalls dann, wenn das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt werden soll. Wird das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt, ohne dass der Gegenpartei rechtliches Gehör gewährt wurde, so soll hiergegen die sofortige Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO zur Anwendung kommen.[464] Hierbei handelt es sich um eine Form der außerordentlichen Beschwerde, die der BGH in anderen Zusammenhängen seit der ZPO-Refom ablehnt. Insoweit sollte die sofortige Beschwerde hilfsweise als Gegenvorstellung bezeichnet oder auf § 321a ZPO gestützt werden.

 

Rz. 583

Die Ablehnung kann nur geltend gemacht werden, bis sich die ablehnende Partei in Kenntnis des Ablehnungsgrundes in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Dabei stellt die Kenntnis des Bevollmächtigten der Partei nach § 166 Abs. 1 BGB der Kenntnis der Partei vom Ablehnungsgrund gleich.

 

Rz. 584

 

Hinweis

Erfahrene Richter schließen aus diesem Grunde die mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme nach nochmaliger Erörterung der Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme mit der Feststellung "Die Parteien wiederholen die eingangs gestellten Anträge". Damit ist es nicht mehr möglich, den Richter wegen seiner Darlegung im Rahmen der Erörterung des Sach- und Streitstandes und Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie wegen seines Verhaltens während der Beweisaufnahme abzulehnen. Der Bevollmächtigte sollte gegen die Feststellung protestieren, wenn er sich die Ablehnung des Richters vorbehalten und diese gegebenenfalls mit der Partei erörtern will.

 

Rz. 585

Eine Ausnahme von dieser Fristregelung stellt § 44 Abs. 4 ZPO dar, wonach der Richter auch noch dann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann, wenn der Ablehnungsgrund erst nach der Einlassung in die Verhandlung oder der Stellung der Anträge entstanden oder der Partei bekannt geworden ist.

 

Rz. 586

 

Hinweis

In diesem Fall muss sich die Glaubhaftmachung nicht nur auf den eigentlichen Ablehn...

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