Rz. 160

Hat der Beklagte seine Verteidigungsbereitschaft angezeigt, so kann ein Versäumnisurteil gegen ihn nur dann ergehen, wenn er im daraufhin anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung säumig bleibt. Dies gilt auch dann, wenn der Beklagte nach der Anzeige seiner Verteidigungsbereitschaft keine Klageerwiderung vorlegt.

 

Rz. 161

 

Hinweis

Derjenige Beklagte, der lediglich das Verfahren verzögern will, um eine kurzfristige Titulierung einer eigentlich berechtigten Forderung gegen sich zu vermeiden, kann mithin das Verfahren dadurch verzögern, dass er die Verteidigungsbereitschaft anzeigt, mehrfach um Fristverlängerung für die Klageerwiderung bittet und diese dann im Ergebnis nicht vorlegt. Die Geschäftsbelastung der Gerichte führt in diesen Fällen häufig dazu, dass ein Termin zur mündlichen Verhandlung erst nach erheblicher zeitlicher Verzögerung bestimmt wird, in dem dann ein Versäumnisurteil ergehen kann. Der Kläger kann hierauf nur reagieren, indem er einer übermäßigen und jeder weiteren Verlängerung der Klageerwiderungsfrist widerspricht.

 

Rz. 162

Der Beklagte ist säumig, wenn er entweder im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erscheint oder aber gem. § 333 ZPO im Termin zur mündlichen Verhandlung zwar erscheint, dort aber nicht zur Sache verhandelt.

 

Rz. 163

 

Hinweis

Beachtet werden muss allerdings, dass sich die Terminsgebühr des klägerischen Bevollmächtigten nach Nr. 3105 VV nur dann ermäßigt, wenn der Beklagte bzw. sein Vertreter tatsächlich nicht erscheinen. Erscheint er dagegen und wird lediglich die Flucht in die Säumnis angetreten, indem er nicht auftritt, erhält der Bevollmächtigte des Klägers die volle 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV.[143] Dies gilt auch dann, wenn sich die Bevollmächtigten vor dem Termin fernmündlich über den Erlass eines Versäumnisurteils verständigt haben (Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV). Auch wenn das Gericht in einem Termin, in dem eine Partei nicht erschienen oder nicht ordnungsgemäß vertreten ist, mit dem Verfahrensbevollmächtigten der Gegenpartei die Frage der Zulässigkeit der Klage erörtert, fällt die volle Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG-VV an.[144]

 

Rz. 164

Weist das Gericht nach § 139 ZPO darauf hin, dass es einen Vortrag des Beklagten als verspätet zurückweisen wird, muss der Rechtsanwalt die "Flucht in die Säumnis" antreten, soweit ihm dieser Weg nicht durch eine vor dem Hinweis erfolgte Antragstellung und damit die Gefahr einer Entscheidung nach Lage der Akten versperrt ist. Wegen der dadurch verursachten höheren Terminsgebühr wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Bei einer Flucht in die Säumnis kann auch noch eine 0,3 – 1,0-Verzögerungsgebühr nach § 38 GKG auferlegt werden.

 

Rz. 165

 

Tipp

Soweit der Bevollmächtigte unsicher ist, ob sein Vortrag als verspätet zurückgewiesen wird, sollte er tunlichst eine primäre Antragstellung vermeiden und zunächst um die rechtlichen Hinweise bitten. Auch wenn die mündliche Verhandlung nach § 137 ZPO mit der Stellung der Anträge beginnt, wird dies nicht allerorten so streng gesehen und – jedenfalls für den Bevollmächtigten, der darum bittet – die Tür zur "Flucht in die Säumnis" offen gehalten.

 

Rz. 166

Nutzt der Rechtsanwalt die Möglichkeit der "Flucht in die Säumnis" nicht, so kann dies für ihn zu einer Haftung aus dem Anwaltsvertrag führen.[145] Bei der "Flucht in die Säumnis" handelt es sich um eine ohne Weiteres zulässige prozessuale Strategie zur Vermeidung der Präklusion des eigenen Vortrags. Dabei lässt die mit Zurückweisung ihres Vorbringens gem. § 296 Abs. 1 oder Abs. 2 ZPO bedrohte Partei durch Nichterscheinen oder Nichtverhandeln im Sinne des § 333 ZPO ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen, legt gegen dieses dann gem. § 338 ZPO Einspruch ein und trägt mit dem Einspruch gem. § 340 Abs. 3 ZPO ihr verspätetes Angriffs- oder Verteidigungsmittel vor.

 

Rz. 167

Eine "Flucht in die Säumnis" muss ein Rechtsanwalt jedenfalls dann antreten, wenn dies ein sicherer und Erfolg versprechender Weg zur Vermeidung der Präklusion ist.[146] Es handelt sich bei der "Flucht in die Säumnis" zwar um ein im Allgemeinen riskantes Vorgehen, das für die Partei mit nicht unerheblichen Gefahren, insbesondere aufgrund der nun möglichen Zwangsvollstreckung, verbunden ist. Steht jedoch im Einzelfall fest, dass hierdurch die Präklusion sicher vermieden werden kann und sich die Gefahren des Vorgehens nicht realisieren werden oder erhebliche Gefahren nicht bestehen, so hat der Rechtsanwalt im Rahmen seiner aus dem Vertrag mit dem Mandanten resultierenden Pflicht, von diesem Schaden abzuwenden, entsprechend vorzugehen. Hiergegen bestehen auch keine rechtlichen Bedenken, denn es handelt sich zwar um die Ausnutzung einer Lücke im Gesetz, jedoch ist ein solches Vorgehen nicht illegal.

 

Rz. 168

Es ist dann erforderlich, dass der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung zunächst seine Sachanträge stellt und weiter beantragt, durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Es ist nicht erforderlich, dass er den Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils zuvor schrift...

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