Rz. 96

Ein Geschädigter muss die ihm verbliebene Arbeitskraft in zumutbarer Weise gewinnbringend nutzen.[106] Ob er dabei gegen die ihm obliegende Schadenminderungspflicht verstoßen hat, hat der Schädiger darzulegen und zu beweisen, insbesondere zu der Frage, ob und in welchem Umfange der Geschädigte eine ihm zumutbare Tätigkeit hätte ausüben können (zu Einzelheiten siehe § 11 Rn 4 ff.).[107]

 

Rz. 97

Die Behauptungs- und Beweislast für die zur Anwendung des § 254 BGB führenden Umstände trägt grundsätzlich der Schädiger, der damit seine Ersatzpflicht mindern oder beseitigen will.[108] Da dem Schädiger aber nichts Unmögliches überantwortet werden darf, kann er beanspruchen, dass der Geschädigte an der Beweisführung mitwirkt, soweit es sich um Umstände aus seiner Sphäre handelt (Sphärentheorie) (siehe auch § 11 Rn 35).[109] Dies bedeutet, dass der Schädiger zwar die Voraussetzungen seines Einwands aus § 254 II BGB beweisen muss, der Verletzte aber zuvor seiner Darlegungslast zu genügen hat. Deshalb muss der Geschädigte zunächst darlegen, was er unternommen hat, um seiner Schadengeringhaltungspflicht zu genügen. Demgegenüber ist es dann Aufgabe des Schädigers, zu behaupten und zu beweisen, dass der Verletzte entgegen seiner Darstellung seine Schadenminderungspflicht hätte erfüllen können.[110]

 

Rz. 98

Dem Schädiger steht es frei, gleichfalls unter Berufung auf die Erleichterungen der § 252 BGB, § 287 ZPO[111] darzulegen und zu beweisen, dass – infolge überholender Kausalität – der Geschädigte auch ohne den Unfall (z.B. durch anderweitige Erkrankungen, Nachlassen der Arbeitskraft, berufliche Veränderungen) ein geringeres als das behauptete Einkommen erzielt oder aus betriebs- oder gesamtwirtschaftlichen Gründen seine Arbeit verloren und kein Erwerbseinkommen erzielt hätte, die behaupteten entgangenen Einkünfte also auch ohne das schädigende Ereignis zu einem bestimmten Zeitpunkt ganz oder teilweise ohnehin entfallen wären.

[106] OLG Braunschweig v. 18.9.2000 – 6 U 4/00 – NZV 2001, 517 = r+s 2001, 410 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 15.5.2001 – VI ZR 361/00 –) (Der Verletzte fand trotz nach dem Unfall – mit Querschnittlähmung – absolvierten Hochschulstudiums keine Anstellung als Diplom-Biologe. Der "vage Hinweis" des darlegungs- und beweisbelasteten Ersatzpflichtigen, Teilzeitbeschäftigungen im universitären und industriellen Bereich seien möglich, ist unzureichend, eine Beweiserhebung des Gerichtes zu veranlassen.).
[107] BGH v. 3.3.1998 – VI ZR 385/96 – DAR 1998, 231 = EWiR 1998, 393 (Anm. Grunsky) = MDR 1998, 595 = NJW 1998, 1634 = NZV 1998, 279 = r+s 1998, 196 = SP 1998, 241 = VersR 1998, 772 = zfs 1998, 210.
[109] BGH v. 22.11.2005 – VI ZR 330/04 – BauR 2006, 1142 = VersR 2006, 286. Siehe ergänzend Küppersbusch ­"Aktuelle Fragen beim Regress des Sozialversicherungsträgers nach § 110 SGB VII" NZV 2005, 398 (Fn 41).
[110] BGH v. 22.11.2005 – VI ZR 330/04 – BauR 2006, 1142 = VersR 2006, 286, BGH v. 22.4.1997 – VI ZR 198/96 – DAR 1997, 355 = MDR 1997, 880 = NJW 1997, 3381 = r+s 1997, 415 = VersR 1997, 1158 = VRS 98, 43 = zfs 1997, 326; BGH v. 23.1.1979 – VI ZR 103/78 – DAR 1980, 49 = JZ 1979, 308 = MDR 1979, 658 = NJW 1979, 2142 = r+s 1980, 20 = VersR 1979, 424 = VRS 56, 323.
[111] KG v. 23.7.2001 – 12 U 980/00 – NZV 2002, 95 = KGR 2002, 7 (Revision BGH – VI ZR 338/01 – nicht ­durchgeführt).

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