Rz. 54

In den letzten Jahren kommt es im Arbeits-Rechtsschutz immer wieder zu Fällen, in denen der Arbeitgeber, meistens wenn es um die Verringerung der Arbeitnehmerschaft eines Betriebes aufgrund von Sparmaßnahmen geht, dem versicherten Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses anbietet. Oft wird den Arbeitnehmern ein Aufhebungsvertrag mit oder ohne Abfindungsregelung angeboten zur Umgehung einer offiziellen Kündigung, damit dieser eine bessere Ausgangslage auf dem Arbeitsmarkt erlangen soll. Für den Fall der Nichtannahme dieses Angebotes wird dann vom Arbeitgeber gleichzeitig eine Kündigung angedroht. Die Frage ist: Stellt eine angedrohte Kündigung oder das Angebot eines Aufhebungsvertrages einen Verstoß des Arbeitgebers gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften dar?

 

Rz. 55

Das AG München sieht keinen Rechtsschutzfall darin, dass der Arbeitgeber dem Angestellten eine Abfindung anbietet für den Fall, dass er einen Auflösungsvertrag annimmt, versehen mit der Drohung, ansonsten zu kündigen. Das AG München sieht einen Versicherungsfall nur dann als gegeben an, wenn die Kündigung erfolgt wäre.[23] Nach dieser Auffassung stellt der Aufhebungsvertrag keinen Rechtverstoß dar, weil eine solche Vereinbarung im Rahmen der Vertragsautonomie erfolgt.

 

Rz. 56

Die Einladung eines Arbeitgebers zu einem Gespräch über den Eintritt in den Vorruhestand stellt noch keinen Verstoß gegen arbeitsrechtliche Pflichten oder Vorschriften dar. Auch dann nicht, wenn in früheren Fällen andere Arbeitnehmer mit Kündigungen bedroht wurden und auch Kündigungen ausgesprochen wurden.[24]

 

Rz. 57

Wird ein Versicherungsnehmer wegen einer einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsvertrages beraten, obwohl er noch nicht gekündigt ist, so liegt ein Rechtsschutzfall noch nicht vor.[25]

Eine andere Auffassung sieht einen Rechtsschutzfall dann als eingetreten, wenn dem Versicherungsnehmer die Kündigung ernsthaft angedroht worden ist und er hierdurch persönliche Nachteile in Kauf nehmen muss, wenn er nicht mit der Aufhebung seines Arbeitsverhältnisses einverstanden ist.[26] Eine Mehrheit der Gerichte ist von einer anderen Auffassung ausgegangen. Diese sahen in der Kündigungsandrohung keinen Rechtsschutzfall. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Dies gerade dann nicht, wenn der betroffene Arbeitnehmer von der Ernsthaftigkeit der Kündigungsandrohung ausgehen muss, die für ihn im Regelfall existenzbedrohend ist.

 

Rz. 58

Das Angebot des Arbeitgebers, einen Abfindungsvergleich abzuschließen, kann, so das AG Bergisch-Gladbach,[27] dann ein Rechtsschutzfall sein, wenn der Arbeitgeber ernsthaft mit einer Kündigung gedroht und Nachteile in Aussicht gestellt hat.[28] Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber Äußerungen dahin gehend macht, er werde Mittel und Wege finden, das Arbeitsverhältnis aus verhaltensbedingten Gründen zu kündigen. Dies stellt eine erhebliche Vertragsverletzung von Seiten des Arbeitgebers dar mit dem Ziel, das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall zu beenden.[29] In diesem Verhalten des Arbeitgebers kann zumindest eine Nötigungshandlung zu sehen sein.

 

Rz. 59

Da es im Regelfall bei dieser Fallkonstellation das Ziel des Arbeitgebers ist, das Arbeitsverhältnis um jeden Preis zu beenden, und das Mittel des Arbeitgebers im Regelfall zumindest einer Nötigung oft sehr nahe kommt, muss in diesen Fällen vom Vorliegen eines zumindest behaupteten Verstoßes ausgegangen werden.[30]

 

Rz. 60

Zwischenzeitlich ist diese Frage höchstrichterlich durch den BGH entschieden worden. In dem Urt. v. 19.11.2008[31] hat der BGH die Frage entschieden, ob ein Rechtsschutzfall vorliegt, wenn dem Arbeitnehmer mitgeteilt wurde, dass sein Arbeitsplatz wegfalle und er gekündigt werde, wenn er einen angebotenen Aufhebungsvertrag nicht annehme. Der BGH sah hierin einen Rechtsschutzfall. Es kommt danach alleine auf die Behauptung des Versicherungsnehmers an, mit der er seinem Vertragspartner einen Pflichtverstoß anlastet. Das Vorbringen des Versicherungsnehmers muss einen objektiven Tatsachenkern enthalten mit diesem einen Rechtsverstoß verbinden. Wird eine Kündigung angedroht, liegt ein Rechtsschutzfall dann vor, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung ernsthaft androht und diese Kündigung vom Grundsatz her rechtswidrig wäre.[32]

Durch dieses Urteil sollte der langjährige Streit mit den Rechtsschutzversicherern beendet sein. Allerdings sollten gerade in diesen Fällen mögliche Ablehnungen der Versicherer eingehend geprüft werden.

 

Rz. 61

 

Hinweis

Zwischenzeitlich werden Rechtsschutzverträge angeboten, die einen Aufhebungsvertrags-Rechtsschutz für Arbeitnehmer anbieten siehe hierzu auch § 24 Rn 41)

[23] AG München zfs 1996, 272 = r+s 1996, 275; so auch AG Frankfurt a.M. zfs 1995, 273; AG Hamburg r+s 1996, 107; AG Köln r+s 1995, 68; AG Köln zfs 2000, 359 f.; AG Hannover r+s 1998, 336; AG Köln zfs 1997, 429 f. m.w.N.; so auch AG Düsseldorf v. 23.8.2007, 569 C 4920/07.
[24] AG Rheine r+s 1998, 335 f. = zfs 1998, 192 mit Anm. Madert.
[25] AG Aach...

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