Rz. 197

Greifen die in § 266 Abs. 1 Hs. 2 bis 6 FamFG genannten Zuständigkeiten und Verfahrensarten[266] ein, gehen diese den Familiensachen des § 266 Abs. 1 Hs.1 Nr. 1 bis Nr. 5 FamFG vor. Es besteht keine Zuständigkeit des Familiengerichts, auch wenn § 266 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 1 bis Nr. 5 FamFG tatbestandlich gegeben sind.[267]

 

Rz. 198

Die Frage des Verhältnisses von § 266 Abs. 1 Hs. 1 FamFG zu § 266 Abs. 1 Hs. 2 bis 6 FamFG ist häufig für die Frage entscheidend, ob es sich um eine Familiensache handelt oder nicht. Es treten freilich wegen des unbestimmten Rechtsbegriffs des "Betreffs" erhebliche Unklarheiten hinsichtlich der gerichtlichen Zuständigkeit auf.

 

Rz. 199

Zunächst scheidet eine sonstige Familiensache gemäß § 266 Abs. 1 Hs. 6 FamFG aus, wenn es sich bei dem Verfahren bereits nach anderen Vorschriften des FamFG um eine Familiensache handelt. Hierdurch kommt zum Ausdruck, dass § 266 Abs. 1 Hs.1 FamFG subsidiär gegenüber den Familiensachen nach § 111 Nr. 1 bis Nr. 9, Nr. 11 FamFG ist. Die Vorschrift greift also nur ein, wenn nicht bereits nach anderen Vorschriften eine Familiensache vorliegt.[268]

 

Rz. 200

Auch die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte muss lediglich "gegeben" sein, um die familiengerichtliche Zuständigkeit auszuschließen. Dies ist zutreffend, ist doch in den Fällen, in denen der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gemäß §§ 2, 48 Arbeitsgerichtsgesetz gegeben ist, bereits der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nach § 13 GVG nicht gegeben.[269]

 

Rz. 201

Im Gegensatz zu den Fällen, in denen die Arbeitsgerichte zuständig sind, reicht es nach dem Wortlaut des § 266 Abs. 1 Hs.3 bis 5 FamFG aus, wenn eines der zahlreichen Sachgebiete des § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a bis k ZPO, das Wohnungseigentumsrecht oder das Erbrecht "betroffen" sind. Es ist grundsätzlich danach zu differenzieren, ob die typische Nähe zu einem familienrechtlichen Rechtsverhältnis besteht oder, ob sich die Beteiligten wie Dritte aufgrund eines von § 348 Abs. 1 S. 2 ZPO erfassten Rechtsverhältnisses, des Wohnungseigentumsrechts oder Erbrechts gegenüberstehen.[270] Ein zivilrechtliches, erbrechtliches und wohnungseigentumsrechtliches Verfahren wird deshalb nicht allein dadurch zu einer sonstigen Familiensache, dass die Beteiligten zu dem von § 266 Abs. 1 Hs. 1 FamFG erfassten Personenkreis gehören. Dies entspricht der Regelungsabsicht der Gesetzesverfasser, Verfahren, deren Bearbeitung spezielle Rechtskenntnisse erfordern dem hierfür regelmäßig zuständigen Gericht zuzuweisen und der Zuständigkeit der Familiengerichte zu entziehen.[271] Die im Übrigen in der Literatur vertretenen Umschreibungen des unbestimmten Rechtsbegriffs führen zu keiner weiteren Konkretisierung des Begriffs.[272]

 

Rz. 202

Im Zweifel sind der Betreff der Spezialmaterien und damit in der Regel die Zuständigkeit der allgemeinen Zivilgerichte zu verneinen und dementsprechend die Zuständigkeit der Familiengerichte zu bejahen. Die negative Formulierung in § 266 Abs. 1 Hs. 2 bis 5 FamFG "sofern nicht" zeigt, dass es sich um Ausnahmen handelt.[273] Die insbesondere von Heiter[274] vertretende Gegenansicht trifft nicht zu. Es ist zwar richtig, dass § 266 Abs. 1 FamFG den Begriff "betreffen" sowohl im ersten Halbsatz als auch in den folgenden Halbsätzen 2–5 gebraucht. Daraus kann allerdings nicht geschlossen werden, wegen der gleichrangigen Betreffens-Begriffe könne Halbsatz eins nicht vorrangig sein.[275] Der Begriff hat selbstredend in sämtlichen Halbsätzen die gleiche inhaltliche Bedeutung, er stellt jedes Mal die gleichen inhaltlichen Anforderungen hinsichtlich der Intensität des Sachbezugs zur jeweils fraglichen Materie.[276] Hierum geht es aber bei der Frage des Verhältnisses von Halbsatz eins zu Halbsätzen 2–5 nicht, sondern es geht vielmehr um deren Verhältnis zu einander. Gerade weil aufgrund der Weite des Begriffs nach den Vorstellungen der Gesetzesverfasser und Gesetzgeber häufig Fälle gegeben sind, in denen sowohl ein Betreff nach Halbsatz eins als auch nach einem der Halbsätze 2–5 gegeben ist, haben Gesetzesverfasser und Gesetzgeber für solche Fallkonstellationen das Verhältnis von Halbsatz eins zu den Halbsätzen 2–5 geregelt: Nämlich entsprechend der von Rosenberg[277] entwickelten Satzbaulehre oder Normentheorie, gerade durch die negative Formulierung, die die Halbsätze 2–5 als Ausnahmen qualifiziert.[278]

 

Rz. 203

Hieraus folgt zugleich, dass, soweit keine doppelrelevanten Tatsachen vorliegen (also Fälle, in denen sich die gerichtliche Zuständigkeit nach der Rechtsnatur des Rechts oder Anspruchs richtet, vergleiche dazu oben Rn 9 f.), derjenige, der sich auf eine der Ausnahmen beruft, die Darlegungs- und Beweislast für die Zuständigkeit der allgemeinen Zivilgerichte trägt.[279]

 

Rz. 204

Dies ist gerade in den Fällen, in denen die Abgrenzung problematisch ist, regelmäßig gegeben. Insbesondere bei den unter § 266 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 3 FamFG fallenden Ansprüchen – der größten und wichtigsten Gruppe der sonstigen Familiensachen – bestimmt die Rechtsnatur der Anspruchsgru...

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