Rz. 99

Sollte sich bei der Überprüfung des eingeholten Gutachtens zeigen, dass der Sachverständige entweder eine in dem zugrunde liegenden Beweisbeschluss aufgestellte Beweisfrage nicht oder nicht hinreichend beantwortet hat, oder sogar ein inhaltlicher Fehler in dem Gutachten auftauchen, so besteht innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist die Möglichkeit, Einwendungen gegen das Gutachten zu erheben und eine ergänzende Begutachtung durch den Sachverständigen zu beantragen.

Diese ergänzende Begutachtung kann entweder (erneut) schriftlich erfolgen,[28] was sich insbesondere bei umfangreicheren Einwänden oder komplexen Sachverhalten anbietet, oder aber das Gericht kann den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung des Gutachtens laden (§ 411 Abs. 3 ZPO).

 

Rz. 100

Die Entscheidung des Gerichts zur Anordnung der mündlichen Erläuterung des Gutachtens liegt grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.[29] Allerdings ist das Ermessen des Gerichts dahingehend gebunden, dass es alle vorhandenen Aufklärungsmöglichkeiten zur Beseitigung von Zweifeln und Unklarheiten des Gutachtens ausschöpfen muss, wozu insbesondere eine mündliche Erläuterung des Gutachtens gehört.[30]

 

Rz. 101

Unabhängig von der dem Gericht nach § 411 Abs. 3 ZPO eingeräumten Möglichkeit der Anordnung einer mündlichen Erläuterung des Gutachtens muss das Gericht auf Antrag einer Partei hin den Sachverständigen zur mündlichen Anhörung laden, auch wenn das Gericht selbst keinen weiteren Erläuterungsbedarf sieht (§§ 402, 397 ZPO).[31]

 

Rz. 102

Wenn eine mündliche Erläuterung des Gutachtens beantragt wird, ist es insoweit auch nicht erforderlich, die dem Sachverständigen zu stellenden Fragen vorab konkret mitzuteilen, sondern es genügt, wenn dargelegt wird, in welche Richtung der Wunsch zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts geht.[32] Eine genauere Eingrenzung bzw. das Stellen konkreter Nachfragen ermöglicht es dem Sachverständigen jedoch, sich konkret auf diese Frage einzustellen und vorzubereiten, so dass je nach Einzelfall entschieden werden sollte, ob die Ergänzungsfragen bereits schriftlich oder doch erst im Termin gestellt werden sollen.

 

Rz. 103

Muster 12.9: Keine Pflicht zur Ausformulierung von Ergänzungsfragen an den Sachverständigen

 

Muster 12.9: Keine Pflicht zur Ausformulierung von Ergänzungsfragen an den Sachverständigen

Wir weisen nur vorsorglich darauf hin, dass sich die konkret an den Sachverständigen zu stellenden Fragen aus dem Ablauf der mündlichen Verhandlung ergeben werden. Es ist jedenfalls nicht erforderlich, die Fragen vorab konkret mitzuteilen, sondern ausreichend darzulegen, in welcher Richtung der Wunsch zur weiteren Aufklärung geht (ständige Rechtsprechung – siehe nur BGH, Beschl. v. 10.7.2018 – VI ZR 580/15 = NJW 2018, 3097; BGH, Urt. v. 5.9.2006 – VI ZR 176/05 = NJW-RR 2007, 212).

[29] BGH, Urt. v. 21.10.1986 – VI ZR 15/85 = NJW-RR 1987, 339.
[30] BGH, Urt. v. 10.12.1991 – VI ZR 234/90 = NJW 1992, 1459.
[31] BGH, Urt. v. 5.9.2006 – VI ZR 176/05 = NJW-RR 2007, 212; BGH, Urt. v. 29.10.2002 – VI ZR 353/01 = NJW-RR 2003, 208.
[32] BGH, Urt. v. 5.9.2006 – VI ZR 176/05 = NJW-RR 2007, 212; BGH, Beschl. v. 8.11.2005 – VI ZR 121/05 = NJW-RR 2006, 1503.

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