Rz. 2

§§ 249 ff. BGB beinhalten keine Anspruchsgrundlagen sondern bestimmen Art, Inhalt und Umfang von Schadensersatzleitungen. Sie betreffen damit nicht die Haftungsbegründung sondern die Haftungsausfüllung.[1] Das Recht der unerlaubten Handlungen enthält ebenso wenig wie die Sondergesetze eine eigene Begriffsbestimmung dessen, was unter Schadensersatz zu verstehen ist; grundsätzlich gilt der allgemeine Begriff des § 249 BGB: Danach besteht Schadensersatz in der Herstellung desjenigen Zustandes, welcher bestehen würde, wenn das Schadensereignis nicht eingetreten wäre. Schaden im natürlichen Sinne ist jeder Nachteil, der infolge eines Ereignisses an Rechtsgütern einer Person entsteht[2] (zum normativen Schadensbegriff vgl. unten Rdn 10). Der Eintritt eines Schadens bedeutet entgegen einer landläufigen Meinung nicht, dass dieser zwangsläufig von einem Dritten ersetzt werden muss. Vielmehr gilt zunächst der Grundsatz, dass der Inhaber des Rechtsguts den daran entstandenen Schaden selbst zu tragen hat. Dieser Schadenszuständigkeit des Rechtsgutträgers steht die Schadenstragungspflicht durch einen anderen als Ausnahme gegenüber.[3] Nur beim nachgewiesenen Vorliegen eines konkreten Haftungsgrunds kommt die Ersatzpflicht eines Dritten in Betracht.

 

Rz. 3

Eine – zunächst möglich erscheinende – Schadensersatzpflicht eines Dritten kann unter anderem deshalb entfallen, weil sich bei wertender Betrachtung der Schadenseintritt als Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos darstellt. Risiken, die beispielsweise ein freies Bewegen in der Natur mit sich bringt, gehören grundsätzlich zum entschädigungslos hinzunehmenden allgemeinen Lebensrisiko.[4] Am Beispiel der Verkehrssicherungspflicht für Bäume wird besonders plastisch und nachvollziehbar eine sachgerechte Differenzierung zwischen haftungsbegründender schuldhafter Verletzung von Verkehrssicherungspflichten und Eigenverantwortlichkeit des Rechtsgutsträgers vorgenommen: Eine Haftung des Waldbesitzers wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht besteht grundsätzlich nicht für waldtypische Gefahren. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Instanzengerichte ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. verkehrssicherungspflichtig ist auch derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine eingetretene Gefahrenlage andauern lässt.

 

Rz. 4

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind. Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so muss der Geschädigte – so hart dies im Einzelfall sein mag – den Schaden selbst tragen.[5]

 

Rz. 5

§§ 249 ff. BGB gelten generell sowohl für einen deliktischen wie für einen vertraglichen Haftungsgrund. Der Umfang des Schadensersatzes kann jedoch ausnahmsweise unterschiedlich gestaltet sein.[6] §§ 249255 BGB sind grundsätzlich dispositiv. Schadensersatzverbindlichkeiten können daher im ­Einzelvertrag innerhalb der durch den Allgemeinen Teil (§§ 134, 138 BGB) und das Allgemeine Schuldrecht (§ 276 Abs. 2 BGB) gesetzten Grenzen auch im Vorhinein abweichend geregelt werden. Weitere Einschränkungen sowohl hinsichtlich Erweiterungen als auch der Beschränkung von Schadensersatzansprüchen im Wege allgemeiner Geschäftsbedingungen enthalten §§ 305310 BGB. Bei einer Pauschalierung von ersatzpflichtigen Schäden ist wegen der jeweiligen ei...

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