Rz. 61

Die Bewertung des jeweiligen Invaliditätsgrades erfolgt nach der Gliedertaxe. Zum besseren Verständnis ist eine solche nachfolgend abgedruckt. Da ab den AUB 2008 die sog. Im-Gelenk-Klauseln aufgegeben wurden, wurden diese in Klammern gesetzt.

 

Rz. 62

Muster 2: Invaliditätsbemessung

 

Invaliditätsbemessung

Als feste Invaliditätsgrade gelten – unter Ausschluss des Nachweises einer höheren oder geringeren Invalidität – bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit

 
  eines Armes (im Schultergelenk) 70 Prozent
  eines Armes bis oberhalb des Ellenbogengelenks 65 Prozent
  eines Armes unterhalb des Ellenbogengelenks 60 Prozent
  einer Hand (im Handgelenk) 55 Prozent
  eines Daumens 20 Prozent
  eines Zeigefingers 10 Prozent
  eines anderen Fingers 5 Prozent
  eines Beines über die Mitte des Oberschenkels 70 Prozent
  eines Beines bis zur Mitte des Oberschenkels 60 Prozent
  eines Beines bis unterhalb des Knies 50 Prozent
  eines Beines bis zur Mitte des Unterschenkels 45 Prozent
  eines Fußes (im Fußgelenk) 40 Prozent
  einer großen Zehe 5 Prozent
  einer anderen Zehe 2 Prozent
  eines Auges 50 Prozent
  des Gehörs auf einem Ohr 30 Prozent
  des Geruchs 10 Prozent
  des Geschmackes 5 Prozent
Bei Teilverlust oder Funktionsbeeinträchtigung eines dieser Körperteile oder Sinnesorgane wird der entsprechende Teil des Prozentsatzes gem. obiger Aufzählung angenommen.
Werden durch den Unfall Körperteile oder Sinnesorgane betroffen, deren (Teil-)Verlust oder (Teil-)Funktionsunfähigkeit nach obiger Aufzählung geregelt sind, so ist für diese maßgebend, inwieweit die normale körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit unter ausschließlicher Berücksichtigung medizinischer Gesichtspunkte beeinträchtigt ist.
Sind durch den Unfall mehrere körperliche oder geistige Funktionen beeinträchtigt, so werden die Invaliditätsgrade zusammengerechnet. Mehr als 100 % werden jedoch nicht angenommen.
 

Rz. 63

Es handelt sich hierbei um feste, pauschalisierte, abstrakte Invaliditätssätze für bestimmte Gesundheitsschädigungen, wie z.B. Verlust oder Funktionsbeeinträchtigungen von Gliedmaßen oder Sinnesorganen. Durch diese abstrakten, festen Prozentangaben soll die Gleichbehandlung der Versicherungsnehmer gewährleistet werden. Allerdings gibt es für bestimmte Berufe manchmal Zusatzbedingungen, die individuell ausgehandelt wurden, sodass bei bestimmten Verletzungen andere Prozentsätze gelten als in der abgedruckten Gliedertaxe. Von daher kann nicht oft genug der Tipp gegeben werden, dass grundsätzlich die Bedingungen, die der Versicherungsnehmer individuell abgeschlossen hat, eingesehen werden müssen und anhand dieser Bedingungen der Einzelfall gelöst werden muss.

 

Rz. 64

Die Aufzählung innerhalb dieser Gliedertaxe zeigt, dass es sich überwiegend um orthopädische Bereiche handelt. Liegt dagegen eine andere Verletzung vor, muss die Invalidität außerhalb der Gliedertaxe bemessen werden, so z.B. bei Hautverletzungen, Zahnverletzungen, Verletzungen der Geschlechtsorgane, Verletzungen der inneren Organe, Verletzungen des Brust- und Bauchraumes, Verletzungen der Wirbelsäule, Verletzungen von Kopf und Gehirn, Brandverletzungen sowie psychischen Beeinträchtigungen.

 

Rz. 65

Anders als im Schadensersatzrecht kommt es auch nicht auf die persönlichen Verhältnisse des Versicherungsnehmers an, wie Haushalt, Ausbildung, welchen Beruf der Versicherungsnehmer ausübt oder in welchen Wohnverhältnissen er lebt, sondern ausschließlich auf die medizinischen Gesichtspunkte und dabei die Frage, inwieweit eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit gegeben ist.

 

Rz. 66

Die konkrete Funktionsbeeinträchtigung der einzelnen Bereiche aus der Gliedertaxe wird durch den Arzt festgestellt. Der Arzt wird in der Regel vom Versicherer bestimmt. In den AUB ist dies festgehalten. So steht z.B. in § 9 IV AUB 88 bzw. Ziff. 7.3 AUB 2014, dass der Versicherte sich von den vom Versicherer beauftragten Ärzten zu untersuchen lassen hat, wobei die Kosten der Versicherer trägt. Versicherer beauftragen daher Ärzte mit der Erstellung von Gutachten hinsichtlich der Höhe des Invaliditätsgrades.

 

Praxistipp

Sobald diese Gutachten der Versicherer dem Anwalt vorliegen, muss dieser die Gutachten genau überprüfen, da Versicherer in der Regel selbsternannte Institute beauftragen, die überwiegend ihre Aufträge vom Versicherer bekommen. Insofern ist hinsichtlich solcher Institute äußerste Skepsis geboten, da bekanntlich das Sprichwort gilt: "Wes’ Brot ich ess’, des’ Lied ich sing." Oftmals ergibt eine nähere Betrachtung dieser Gutachten, dass die behandelnden Ärzte Literatur verwenden, die ausschließlich zugunsten des Versicherers Bewertungen enthält. Von daher arbeiten spezialisierte Anwälte mit einem ganzen Stab von eigenen Ärzten zusammen, die individuell für jeden einzelnen Verletzungsbereich kontrollieren können, ob die ausgehandelten Gebrauchsminderungssätze auch tatsächlich zutreffen oder ob diese zu niedrig sind.

 

Rz. 67

Wenn der Grad der Funktionsbeeinträchtigung fes...

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