Rz. 14

Bei dem Merkmal der Unfreiwilligkeit ist wichtig zu wissen, dass die Gesundheitsschädigung, jedoch nicht das Unfallereignis, unfreiwillig erfolgen muss (vgl. BGH VersR 1985, 177). Im Umkehrschluss bedeutet Freiwilligkeit, dass der Versicherungsnehmer den körperschädigenden Einfluss des Ereignisses gerade vorausgesehen und in seinen Willen mit aufgenommen haben muss. Konkret fallen hierunter die Fälle, in denen der Verletzte sich selber verletzen wollte oder gar in Tötungsabsicht handelte, wie dies beim Suizid der Fall ist. Besteht diese Verletzungs- oder Tötungsabsicht im Bereich des Verkehrsunfalls, sind die Ansprüche des Verletzten oder auch der Hinterbliebenen ausgeschlossen, da dann das Element der Unfreiwilligkeit nicht gegeben ist. Exemplarisch wird hier auf die Entscheidungen des OLG Köln VersR 1998, 883; BGH VersR 1998, 1231 und OLG Oldenburg NVersZ 1999, 380 verwiesen, in denen es sämtlich um Verkehrsunfälle ging.

 

Rz. 15

Was passiert aber, wenn eine gewollte Gesundheitsschädigung einen ganz anderen, ungeplanten Verlauf nimmt? Der BGH hat in einem Fall den Unfallbegriff und damit die Unfreiwilligkeit bejaht, als sich die versicherte Person bewusst eine Kokain-Injektion setzte, die jedoch nicht zum beabsichtigten Rausch, sondern zum Tod führte. Grundsätzlich ergeben sich, soweit sich das Merkmal der Unfreiwilligkeit auf die Gesundheitsschädigung bezieht, keine Einschränkungen dahingehend, dass damit nur die erste Gesundheitsschädigung gemeint ist, die ggf. sogar geringfügig sein kann. Der BGH führt dazu aus:

Zitat

"Hat die versicherte Person bei der Durchführung risikoreicher Handlungen zwar mit Verletzungen gerechnet, infolge einer Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf jedoch nicht mit deren konkretem, die Leistungspflicht des Versicherers auslösenden Ausmaß, so erleidet sie die Gesundheitsschädigung unfreiwillig." (BGH, Urt. v. 16.10.2013 – IV ZR 390/12)

 

Rz. 16

Sollte ein Fall der fehlgeschlagenen Selbsttötung vorliegen, z.B. dass ein Versicherungsnehmer sich mit seinem eigenen Auto töten wollte, muss mitunter differenziert werden, da der BGH in der Entscheidung VersR 1998, 887 entschieden hat, dass es bei einer fehlgeschlagenen Selbsttötung nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass die hierdurch erlittenen Verletzungen gerade nicht freiwillig gewesen sind, da der Betroffene in Tötungsabsicht handelte. Sollte in der Praxis ein solcher Fall einmal vorkommen, kann eventuell mit der Argumentation dieser BGH-Rechtsprechung gegenüber dem privaten Unfallversicherer erreicht werden, dass eine Zahlung aus der privaten Unfallversicherung erfolgt. Die Gegenmeinung vertritt die Auffassung, dass der Tötungsvorsatz auch die Körperverletzung mit umfasst und zwar als notwendiges Durchgangsstadium. Liegen bei den Suizidfällen keine Abschiedsbriefe vor, versucht man sich oft mit der Frage zu helfen, ob aufgrund der Umstände eher von einer unfreiwilligen Verletzung auszugehen ist als von einer freiwilligen. Teilweise wird vertreten, dass die wirtschaftliche Lage des Verletzten zu prüfen ist oder ob dieser kurz vor dem Ereignis seinen Versicherungsschutz unverhältnismäßig erhöht hat. In der Sache wird es jedoch schwierig, dieses tatsächlich zu beweisen, so dass derjenige, der einen solchen Fall zu bearbeiten hat, zunächst erst einmal von der Unfreiwilligkeit auszugehen hat. Allerdings ist die Beweislastumkehr und die Vermutung nach § 178 Abs. 2 S. 2 VVG zu berücksichtigen. Es obliegt dem Versicherer, die Vermutung zu widerlegen.

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