Rz. 3

Ähnlich der für Deutschland in § 28 Abs. 3 BDSG-Neu[4] und § 35 BDSG-Neu[5] enthaltenen Regelungen, hat sich auch österreichische Gesetzgeber dazu entschlossen, weitere "Bereichsausnahmen" zum Bestehen von Berichtigungs- und Löschungsverpflichtungen des Verantwortlichen zu normieren. In § 4 Abs. 2 DSG 2018[6] heißt es insoweit

Zitat

"Kann die Berichtigung oder Löschung von automationsunterstützt verarbeiteten personenbezogenen Daten nicht unverzüglich erfolgen, weil diese aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen nur zu bestimmten Zeitpunkten vorgenommen werden kann, so ist die Verarbeitung der betreffenden personenbezogenen Daten mit der Wirkung nach Art. 18 Abs. 2 DSGVO bis zu diesem Zeitpunkt einzuschränken."

In den Erläuterungen des Ministerialentwurfs[7] wird die Aufnahme dieser Ausnahmeregelung damit begründet, dass es sich "insbesondere bei einer etwa aus Sicherheitsgründen weit verteilten Speicherung von personenbezogenen Daten […] im Einzelfall als schwierig erweisen [könne], einzelne Datensätze sofort aus sämtlichen Kopien zu entfernen.", weswegen es sinnvoll erscheinen, die technikneutral formulierte Ausnahmeregelung in das Gesetz mit aufzunehmen. Weiter soll § 4 Abs. 2 DSG 2018 auf "Konstellationen im Zusammenhang mit der Verwendung von Backup-Datensicherungen und Löschungsroutinen"[8] Anwendung finden.

 

Rz. 4

Dabei ist auch bezogen auf die österreichische Regelung äußert fraglich, ob die aufgenommenen Bestimmungen auf Grundlage einer entsprechenden Öffnungsklausel erlassen wurden.[9] Der österreichische Gesetzgeber befasst sich mit dieser Frage explizit nicht. Angesichts der gefundenen Begründung für die Bereichsausnahme, dürfte ihre europarechtliche Zulässigkeit indes als äußert fraglich zu bewerten sein. Insbesondere die Annahme, dass es sich "im Einzelfall als schwierig erweisen [könne], einzelne Datensätze sofort aus sämtlichen Kopien zu entfernen" erscheint vor dem Hintergrund der Zielsetzungen der DSGVO kein tragender Gesichtspunkt zu sein. Die DSGVO selbst fordert vom Verantwortlichen Datensparsamkeit, so dass sich bereits die Frage stellt, ob sich die vom österreichischen Gesetzgeber adressierten "verteilten Speicherung von [identischen] personenbezogenen Daten" überhaupt als zulässige darstellen würde. Mit Blick auf die Vorgaben in Art. 25 DSGVO und den hier normierten Grundsatz des "Data Privacy by Design" könnte oder besser dürfte eine solche "verteilte Speicherung" aber jedenfalls nicht dazu führen, dass sich eine sofortige Entfernung als schwierig erweist. Zudem stellt sich die Frage, warum in einem solchen Fall zwar die "Einschränkung der Verarbeitung" des betroffenen Datenattributes durchsetzbar (und damit möglich) sein sollte, nicht jedoch seine vollständige Berichtigung und/oder Löschung. Rein technisch gesehen, erfordert nämlich auch die "Einschränkung der Verarbeitung" einen "unmittelbaren" und dezidierten Zugriff auf das betroffene Datenattribut. Wenn dieser zu Einschränkungszwecken durchsetzbar ist, bleibt für die Anwendung der beschriebenen Bereichsausnahme jedenfalls aus "technischen Gesichtspunkten" – mit Ausnahme von Konstellationen im Zusammenhang mit Backup-Datensicherungen – kein Raum. Wann eine Löschung aus wirtschaftlichen Gründen nicht unverzüglich erfolgen können soll, lassen sowohl § 4 Abs. 2 DSG 2018, als auch der Ministerialentwurf unbeantwortet. Mit Blick auf die fehlende Höchstdauer des in § 4 Abs. 2 DSG 2018 normierten Aufschubs der Berichtigung oder Löschung zugunsten einer Einschränkung der Verarbeitung, stellt sich zudem die Frage, ob diese Regelung überhaupt als den Wesensgehalt der Grundrechte und Grundfreiheiten achtende, notwendige und verhältnismäßige Maßnahme eingestuft werden kann.

[4] Hierzu § 6 Rdn 69.
[5] Hierzu § 6 Rdn 111 ff.
[6] Eine weitere Konkretisierung der Löschungspflichten findet sich im Zusammenhang mit den Sondervorgaben zur Bildverarbeitung (§§ 12, 13 DSG 2018) in § 13 Abs. 3 DSG 2018.
[7] 322/ME XXV. GP – Ministerialentwurf – Erläuterungen, S. 4, zu § 3, abrufbar unter: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/ME/ME_00322/index.shtml.
[8] Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage zum DSG 2018, S. 4, abrufbar unter: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_01761/fname_643604.pdf.
[9] Hierzu bereits in Bezug auf die bundesdeutschen Regelungen, § 6 Rdn 112.

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