Rz. 20

Ebenfalls präventiv sind die in § 17 SGB VIII vorgesehenen kostenfreien Beratungsmöglichkeiten in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung,[92] die allerdings als individueller Rechtsanspruch ausgestaltet sind.[93] Den Leistungsadressaten kommt zudem gem. § 5 SGB VIII ein Wahlrecht zu, ob sie die Beratung bei einem öffentlichen oder freien Träger in Anspruch nehmen möchten.[94] Kann in einer Beratung nach § 17 SGB VIII zwischen den Beteiligten eine einvernehmliche Regelung gefunden werden, so ist diese mit Blick auf § 50 Abs. 2 S. 1 SGB VIII im Rahmen eines bereits zwischen ihnen anhängigen gerichtlichen Verfahrens dem Familiengericht mitzuteilen.

 

Rz. 21

Die nach § 17 Abs. 1 SGB VIII vorgesehene Beratung in Fragen der Partnerschaft orientiert sich hinsichtlich der Leistungsadressaten allein daran, ob sie für ein Kind die tatsächliche Sorge ausüben. Es ist daher nicht entscheidend, ob sie die rechtlichen Eltern sind. Unter Beachtung des Normzwecks ist hier der in der Literatur vertretenen Auffassung zuzustimmen, dass zum Adressatenkreis auch Stiefeltern und nicht verheiratete Partner gehören.[95] Zum Schutz des Kindes sollen sie präventiv Unterstützung dabei erhalten, die einzelnen im Gesetz genannten Zielsetzungen zu erreichen, also innerhalb der Familie ein partnerschaftliches Zusammenleben aufzubauen und zu erhalten, Konflikte und Krisen in der Familie zu bewältigen sowie im Fall der Trennung oder Scheidung gemeinsam elterliche Verantwortung zu übernehmen. Im Vordergrund steht die Stärkung der Handlungs- und Konfliktkompetenz der Eltern, die im Fall der Trennung dann aber auch die Unterstützung bei der Erstellung eines einvernehmlichen Konzepts zur Ausgestaltung von Umgangskontakten beinhaltet.[96]

 

Rz. 22

Auf den Fall der Trennung oder Scheidung bezogen, sieht § 17 Abs. 2 SGB VIII eine weitergehende Unterstützung vor, die sich darauf richtet, eine einvernehmliche Regelung zur Ausgestaltung der elterlichen Sorge zu finden. Dies kann als Basis einer familiengerichtlichen Entscheidung dienen, wobei im Zuge der Datenweiterleitung an das Gericht die datenschutzrechtlichen Vorgaben in den §§ 64, 65 SGB VIII zu beachten sind.[97] Im Vordergrund der Beratung steht die Information der Eltern zu den in Betracht kommenden Möglichkeiten der Ausgestaltung der Sorge, einhergehend mit den sich hieran anschließenden Fragen, etwa des Unterhalts oder der Umgangsregelungen. In Ausgestaltung der Verpflichtungen nach Art. 12 Abs. 2 UNKRK, wonach dem Kind Gelegenheit zu geben ist, in allen es berührenden gerichtlichen Verfahren entweder unmittelbar oder mittelbar durch einen Vertreter gehört zu werden, sieht das Gesetz in diesem Rahmen ausdrücklich eine Beteiligung der unmittelbar betroffenen Kinder vor. Es versteht sich von selbst, dass sich Ausgestaltung und Umfang der Einbindung eines Kindes in diesen Beratungsprozess an dessen Alter zu orientieren hat, auch in Anlehnung an die gesetzgeberischen Vorgaben, wie etwa in § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, ohne dass jedoch dem Kind der Eindruck seiner Verantwortlichkeit für die Lösung der elterlichen Probleme vermittelt werden darf.[98] Um die Beratungsmöglichkeiten im Fall der Trennung und insbesondere einer Ehescheidung effektiv umsetzen und die betroffenen Kindeseltern kontaktieren zu können, sieht § 17 Abs. 3 SGB VIII eine Verpflichtung der Familiengerichte zur Information der Jugendämter über anhängige Scheidungsverfahren vor. Unabhängig hiervon erfordert ohnehin eine ordnungsgemäße anwaltliche Beratung – auch aufgrund kostenrechtlicher Erwägungen – im Rahmen eines Scheidungsmandats den frühzeitigen Hinweis auf die bestehenden Beratungsmöglichkeiten der Jugendämter und freien Träger (vgl. hierzu auch § 8 Rdn 17).[99] Nicht nur durch die Neuregelung von § 17 Abs. 2 SGB VIII im Zusammenhang mit dem BKiSchG, sondern auch die Regelungen des MediationsG, wie sie u.a. im FamFG Niederschlag gefunden haben (z.B. § 156 Abs. 1, Abs. 3 FamFG) lässt sich die gesetzgeberische Intention erkennen, dass das Hinwirken auf ein Einvernehmen Priorität hat.[100] Die Beratungs- und Unterstützungsangebote sollen dem Rechnung tragen und nach Möglichkeit eine außergerichtliche Konfliktlösung vorbereiten, um eine Gefährdung des Kindeswohls zu vermeiden.[101] Dabei darf aber nicht aus dem Blick verloren werden, dass die Entscheidung eines anhängigen Verfahrens allein dem Familiengericht obliegt und dem Jugendamt lediglich eine unterstützende Funktion zukommt.

[92] Zur Erziehungsberatung als Jugendhilfeleistung vgl. Menne, ZKJ 2015, 345.
[93] BT-Drucks 13/4899, S. 169; siehe zu den Rechtsansprüchen auch Wapler, Dreiecksverhältnisse – Über die Rechte der Kinder, Jugendlichen und ihrer Eltern im SGB VIII, ZKJ 2015, 336; Rauschenbach, Rechtsansprüche und Realitäten – Die Entwicklung der Kindertagesbetreuung im Zeitalter des SGB VIII, ZKJ 2015, 341.
[94] Siehe zum Verhältnis freier und öffentlicher Träger auch Struck, ZKJ 2015, 381.
[95] Wiesner, SGB VIII, § 17, Rn 10.
[96] Münder/Meysen/T...

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