Rz. 1

Das aus dem Jahr 1922 stammende und zuletzt Anfang der 60er Jahre modifizierte Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) wurde mit Wirkung zum 3.10.1990 in den neuen bzw. zum 1.1.1991 in den alten Bundesländern durch das Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (KJHG) ersetzt. Von den insgesamt 14 Artikeln des KJHG enthalten die in Artikel 1 getroffenen Regelungen, d.h. das Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII), die für die familienrechtliche Praxis zentralen Vorschriften. Modifizierungen hat das SGB VIII durch das zum 1.1.2012 in Kraft getretene Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG)[1] erfahren, das vorrangig auf das frühzeitige Erkennen von Risiken und Belastungen ausgerichtet ist. Intention des Gesetzgebers ist die Verbesserung der Rechtsgrundlagen in der Kinder- und Jugendhilfe und dadurch die Stärkung des aktiven Schutzes[2] von Kindern und Jugendlichen.[3] Dies soll unter anderem erreicht werden durch[4]

eine weitere Qualifizierung des Schutzauftrages des Jugendamtes bei Kindeswohlgefährdung,
eine Verbesserung der Zusammenarbeit der Jugendämter zum Schutz vor sog. Jugendamts-Hopping,[5]
die Verpflichtung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Qualitätsentwicklung sowie zum Abschluss entsprechender Vereinbarungen mit der freien Jugendhilfe als Grundlage für die Finanzierung,[6]
die Verpflichtung zur Vorlage erweiterter Führungszeugnisse für alle in der Jugendhilfe beschäftigten Personen sowie
die Verpflichtung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, mit den Trägern der freien Jugendhilfe Vereinbarungen über die Tätigkeiten zu treffen, bei denen die Vorlage erweiterter Führungszeugnisse auch durch ehrenamtlich tätige Personen notwendig ist.
 

Rz. 2

Während das JWG in seiner Zielsetzung allein auf Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten ausgerichtet war, stehen beim SGB VIII Angebote und Leistungen der Jugendhilfe für Kinder (unter 14 Jahren), Jugendliche (bis 18 Jahre), Heranwachsende (zwischen 18 und 21 Jahren), junge Volljährige (zwischen 21 bis 27 Jahren) und ihre Personensorgeberechtigten – d.h. sowohl ihren Eltern, als auch ggf. Pfleger oder Vormund – im Vordergrund.[7]

 

Rz. 3

Die originäre Jugendhilfe ist den jeweiligen Jugendämtern vor Ort zugewiesen. Für sie gilt unverändert die aus dem JWG übernommene doppelgliedrige Struktur. Neben dem eigentlichen Verwaltungsbereich steht gleichberechtigt der Jugendhilfeausschuss. Dieser setzt sich aus Mitgliedern der Vertretungskörperschaft der öffentlichen Träger (z.B. Kreistag oder Rat) sowie Vertretern der freien Träger zusammen.[8] Die den Jugendämtern im Rahmen der Jugendhilfe zugewiesenen Aufgaben sind in § 1 Abs. 3 SGB VIII zusammengefasst und gerichtet auf

die Förderung junger Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung unter Vermeidung und Abbau von Benachteiligungen,
die Unterstützung und Beratung der Eltern und Erziehungsberechtigten bei der Erziehung,
den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gefahren für ihr Wohl sowie
die Schaffung einer kinder- und familienfreundlichen Umwelt bzw. die Erhaltung positiver Lebensbedingungen für junge Menschen und ihr Familien
 

Rz. 4

In Erfüllung dieser Aufgaben sind die Jugendämter auch in familiengerichtliche Verfahren einbezogen. § 50 SGB VIII sieht dazu vor, dass das Jugendamt das Familiengericht bei allen Maßnahmen unterstützt, die die Sorge für die Person von Kindern und Jugendlichen betreffen.[9] Das Jugendamt nimmt eine eigenverantwortlich zu erfüllende Aufgabe als sozialpädagogische Fachbehörde wahr.[10] In den in § 50 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 SGB VIII enumerierten Verfahren ist ausdrücklich eine Mitwirkung des Jugendamtes vorgesehen, so auch in Kindschaftssachen (§ 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII), wobei diese Mitwirkungspflicht mit dem, dem Jugendamt in § 162 FamFG gewährleisteten Mitwirkungsrecht korrespondiert (zu letzterem siehe § 1 Rdn 440 ff.).[11] Grundlage für die Übermittlung der zur Erfüllung des Mitwirkungsauftrags notwendigen Daten ist § 69 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB X.[12] Abzugrenzen ist diese sozialpädagogische, fachliche Stellungnahme jedoch von einer dem Jugendamt als Vormund übertragenen Aufgabe im Zusammenhang mit der Personensorge, die entsprechend interner Organisation des Jugendamts einer Fachkraft übertragen wurde, die für die Mitwirkung im familiengerichtlichen Verfahren zuständig ist.[13]

 

Rz. 5

Bei der Umsetzung der Zielvorgaben des KJHG treffen Berufszweige aufeinander, zwischen denen bedauerlicherweise nach wie vor nur unzureichende interdisziplinäre Verbindungen bestehen.[14] Verschärft wird die Problematik dadurch, dass sehr häufig aus Kindeswohlgründen gebotene Maßnahmen des Jugendhilfeträgers aus Sicht der Personensorgeberechtigten als persönlicher Angriff gewertet werden. Umso wichtiger ist es daher, dass die Verfahrensabläufe transparent sind und jederzeit die Rechtmäßigkeit der gewählten Vorgehensweise und Entscheidung dargelegt werden kann.

Dies beginnt bereits mit der Sachverhaltsermittlung durch das örtlich zuständige Jugendamt, das gem. § 20 Abs. 1 ...

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