Rz. 10

Bis zum 31.12.2021 gab es bereits drei ERVB (ERVB 2018, ERVB 2019 u. ERVB 2021), die gem. § 5 ERVV bekannt gemacht wurden. Diese ERVB wurden zum 1.1.2022 durch eine einheitliche ERVB 2022 abgelöst; diese wiederum durch die 2. ERVB 2022 ersetzt, siehe hierzu ab Rdn 41 ff. Am 11.10.2021 hat der Gesetzgeber das ERVV-Ausbaugesetz[7] verkündet, welches zum 1.1.2022 in Kraft getreten ist. Mit diesem Gesetz sollte nicht nur der elektronische Rechtsverkehr ausgebaut werden, sondern darüber hinaus wollte der Gesetzgeber auch die Anforderungen an die technischen Eigenschaften von Dokumenten absenken.[8] Kernstück dieses Gesetzes ist die Schaffung zusätzlicher elektronischer Kommunikationswege, um weitere Kommunikationspartner im elektronischen Rechtsverkehr einzubinden. Aus diesem Grunde wurden auch in den §§ 1012 ERVV[9] Regelungen zum besonderen elektronischen Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) sowie zu den sog. OZG-Nutzerkonten aufgenommen.

 

Rz. 11

§ 2 Abs. 1 S. 4 ERVV, der zunächst die Zulässigkeit der Einreichung von PDF-Dokumenten ohne Einschränkungen regelte, trat mit Ablauf des 30.6.2019 außer Kraft. Ab dem 1.7.2019 bis 31.12.2021 musste die Übermittlung der Dokumente daher in druckbarer, kopierbarer und, soweit technisch möglich, durchsuchbarer Form[10] im Dateiformat PDF erfolgen. Die Anforderungen an elektronische Dokumente wurden zum 1.1.2022 jedoch durch das ERVV-Ausbaugesetz wieder herabgesetzt. Geblieben von diesen drei Anforderungen (druckbar, kopierbar, durchsuchbar) ist lediglich die Druckbarkeit, die zum 1.1.2022 jedoch in die Bekanntmachung gem. § 5 ERVV "umgeparkt" wurde (in die 2. ERVB 2022). Auch die bis 31.12.2021 in § 2 Abs. 2 ERVV enthaltende Forderung, dass der Dateiname den Inhalt des elektronischen Dokuments schlagwortartig umschreiben und bei der Übermittlung mehrerer elektronischer Dokumente eine logische Nummerierung enthalten sein soll, wurde "abgespeckt". Die schlagwortartige Umschreibung des Inhalts des Dokuments durch Vergabe eines "sprechenden Dateinamens" wird nicht mehr konkret gefordert; die gewünschte logische Nummerierung ist ebenfalls in die ERVB 2022 aufgenommen worden, siehe dazu Rdn 54 ff. in diesem Kapitel.

 

Rz. 12

Die Anforderungen an die einzureichenden elektronischen Dokumente wurden immer detaillierte, so forderte die ERVB 2019 schließlich auch die Einbettung von Schriftarten und Grafiken, was manche Kanzleien vor große Herausforderungen stellte und in etlichen Fällen zur angenommenen Unwirksamkeit der eingereichten Dokumente führte. Erschwerend kam hinzu, dass lediglich ein Rettungsversuch gem. § 130a Abs. 6 ZPO möglich war; scheiterte nach Neuaufbereitung und Nachreichung des Dokuments mit Glaubhaftmachung, dass inhaltlich keine Änderungen vorgenommen worden waren, die Einreichung erneut, blieb ein weiterer Heilungsversuch verwehrt. So entschied denn auch das BAG:[11]

Zitat

(Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG)

"1. Ein elektronisches Dokument muss nach § 130 a II ZPO, § 2 I 1 ERVV in druckbarer, kopierbarer und, soweit technisch möglich, durchsuchbarer Form im Dateiformat PDF an das Gericht übermittelt werden. Die Durchsuchbarkeit bezieht sich auf eine texterkannte Form und dient der Weiterbearbeitung im Gericht. Alle für die Darstellung des Dokuments notwendigen Inhalte müssen in der PDF-Datei enthalten sein. (Rn 2)"

2. Die gerichtliche Hinweispflicht nach § 130 a VI 1 ZPO gilt ebenso wie die Korrekturmöglichkeit nach § 130 a VI 2 ZPO nur für Formatfehler. (Rn 5)

3. Nur elektronische Dokumente, die die Formvorschriften des § 130 a III und IV ZPO einhalten, können die Zustellungsfiktion des § 130 a VI 2 ZPO bewirken. (Rn 5)

4. Eine mehrfache Hinweispflicht sieht § 130 a VI 1 ZPO nicht vor. Es besteht nur eine einmalige Möglichkeit der ordnungsgemäßen Nachreichung. (Rn 10)“

 

Rz. 13

Im vorgenannten Fall erfolgte eine Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde, nachdem das nicht durchsuchbare PDF auch im zweiten Anlauf nicht durchsuchbar war.

 

Rz. 14

Die Herabsetzung der Anforderungen an elektronische Dokumente erfolgte schließlich zum 1.1.2022 durch den Gesetzgeber aufgrund der strittigen Rechtsprechung und zum Teil sehr strengen Auslegung durch Gerichte. So war z.B. strittig, ob eine fehlende Durchsuchbarkeit und/oder nicht eingebettete Schriften zur – zwar nach § 130a Nr. 6 ZPO heilbaren – aber zunächst Unwirksamkeit der Einreichung führen.[12]

 

Rz. 15

Das OLG Koblenz vertrat zudem die Ansicht, dass die in den ERVB 2019 enthaltenen Anforderungen von der Ermächtigungsgrundlage des § 5 ERVV nicht gedeckt waren:[13]

Zitat

"1. Soweit durch Nr. 1 der Bekanntmachung zu § 5 der Elektronischer-Rechtsverkehr-VO v. 20.12.2018 (ERVB 2019) an die Einreichung elektronischer Dokumente technische Vorgaben gemacht werden, durch die die gem. § 5 Abs. 1 ERVV i.V.m. Nr. 1 der Bekanntmachung zu § 5 der Elektronischer-Rechtsverkehr-VO v. 19.12.2017 (ERVB 2018) zugelassenen Versionen des Dateiformats PDF mit weitergehenden Einschränkungen (hier: Einbettung sämtlicher verwen...

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