Rz. 81

Die Tathandlung muss nach BGH vom 3.11.2009 – 4 StR 373/09 – für die Herbeiführung einer konkreten Gefahr über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt haben, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht. Eben hier hat die Verteidigung die Möglichkeit einzugreifen und Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Der zugrundeliegende Sachverhalt hatte folgenden Hintergrund:

Zitat

Der Angeklagte erkannte die Nebenklägerin in ihrem Pkw und lenkte seinen Pkw bewusst auf die Gegenfahrbahn. Dies entsprach seiner früheren Ankündigung: "Wenn ich Dich fahren sehe, fahre ich drauf zu, auch wenn wir beide in den Himmel kommen."[...] Die Nebenklägerin, die mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 40 km/h fuhr, sah den auf sie zufahrenden Pkw des Angeklagten und lenkte ihren Pkw nach rechts, um einen Unfall zu vermeiden. Auch der Angeklagte lenkte seinen Pkw nach rechts. Beide Fahrzeuge fuhren aneinander vorbei. Wäre auch nur ein Kraftfahrzeug nicht nach rechts ausgewichen, wäre es zu einem Zusammenstoß der Kraftfahrzeuge gekommen.[84]

Der Tatrichter muss aber zunächst die Verkehrssituation, in der sich die beiden beteiligten Fahrzeuge bei ihrer Annäherung im Vorfallszeitpunkt befanden, tunlichst unter Hinzuziehung eines Sachverständigen für Verkehrsunfallrekonstruktion, näher aufzuklären.

 

Rz. 82

Ebenso ist nach BGH vom 20.10.2009 – 4 StR 408/09 – zum gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr jeweils konkreter Sachvortrag für die Feststellungen erforderlich, die eine Verurteilung begründen können. Denn der Straftatbestand des § 315b Abs. 1 StGB setzt voraus, dass durch den tatbestandsmäßigen Eingriff Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret gefährdet werden. Hierzu müssen konkrete Feststellungen getroffen werden.

Es muss festgestellt werden, dass

eine konkrete Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert,
bedeutender Wert nach § 315b StGB

gegeben sind. Es darf also nicht nur festgestellt werden, dass "es gerade noch einmal gut gegangen" ist, sondern das Geschehen muss präzise geschildert werden. Bei der Frage, ob es sich um eine Sache von bedeutendem Wert handelt, geht die h.M. von einem Wert von mindestens 1.300 EUR aus.

 

Rz. 83

Der Begriff des "bedeutenden Werts" wird anders qualifiziert als der des "bedeutenden Schadens" in § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB, weil dort Reparatur-, Abschlepp- und Bergungskosten einzubeziehen sind. Hinzukommen muss dann ein drohender bedeutender Schaden, dessen Grenze bei 750 EUR liegen dürfte.

 

Praxistipp

Beachte auch beim Revisionsvorbringen: Die Revision teilt die Gutachten nicht vollständig mit, obwohl sie in der Revisionsbegründung auf deren Skizzen und Schadensfotos verweist.

Dem Revisionsgericht bleibt damit eine Überprüfung der erhobenen Behauptung, dem gehörten Sachverständigen habe die Sachkunde gefehlt, verschlossen.

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