Rz. 11

In Verkehrsstrafsachen kann es jedenfalls zu einer eingeschränkten Verständigung kommen. I.d.R. wird es sich nicht um "geeignete Fälle" i.S.v. § 257c Abs. 1 StPO handeln, da meist keine umfangreichen und schwierigen Beweisaufnahmen durchzuführen sind, die durch eine Verständigung abgekürzt werden könnten. Die neue Regelung ist über die §§ 46, 71 OWiG zudem grds. auch im Bußgeldverfahren anwendbar.

 

Rz. 12

Die Verständigung i.S.v. § 257c Abs. 1 StPO ist nur in der Hauptverhandlung zulässig. Alle Vereinbarungen/Verständigungen/Absprachen aus dem Ermittlungsverfahren sind damit nur Vorbereitungen.

Damit scheidet in Verkehrsstrafsachen wohl nicht sehr praxisgerecht eine Verständigung über die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB aus.[8] Die Länge der Sperrfrist (§ 69a StGB) kann Gegenstand einer Verständigung sein,[9] da sie auf einer Einschätzung des Gerichts beruht – ebenso wie bei der Strafe eine Ober- und eine Untergrenze angegeben wird. Auch ein Fahrverbot nach § 44 StGB kann als Nebenstrafe Gegenstand einer Verständigung sein. Wenn der Angeklagte sowie die Staatsanwaltschaft zustimmen, ist die Verständigung zustande gekommen. Der Nebenkläger muss nicht zustimmen.

 

Rz. 13

Die Dokumentationspflicht des Gerichts bestimmt § 273 Abs. 1a StPO, insoweit als im Protokoll über die Hauptverhandlung der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Verständigung wiedergegeben und ebenfalls vermerkt sein muss, wenn keine Absprache erfolgt ist.[10] Hierauf sollte der Rechtsmittelführer auf jeden Fall bei der Prüfung des Protokolls achten.

Das BVerfG[11] gibt dabei vor, dass nach der auch im Freibeweisverfahren gebotenen Sachaufklärung nicht zu beseitigende Zweifel am Vorliegen von Verfahrenstatsachen grundsätzlich zulasten des Angeklagten gehen. Anders ist aber die Situation, wenn die Unaufklärbarkeit des Sachverhalts auf einem Verstoß gegen eine gesetzlich angeordnete Dokumentationspflicht beruht, dann muss durch das Berufungsgericht/Revisionsgericht eine umfassendere Aufklärung erfolgen.

Laut Checkliste nach BGH[12] bestehen Dokumentationspflichten bei Erörterungen, die außerhalb einer laufenden Hauptverhandlung stattgefunden haben und deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist

sobald bei den Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer Verständigung im Raum stehen,
bspw. wenn Fragen des prozessualen Verhaltens in Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht werden und damit die Frage nach oder die Äußerung zu einer Straferwartung naheliegt.

Die Mitteilungspflicht umfasst

die Tatsache, dass es solche Erörterungen gegeben hat
und erstreckt sich auch auf deren wesentlichen Inhalt,
von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen,
welche Standpunkte die einzelnen Gesprächsteilnehmer vertraten
und auf welche Resonanz dies bei den anderen am Gespräch Beteiligten jeweils stieß.
Das gilt auch dann, wenn eine Verständigung im Sinne des § 257c Abs. 3 StPO letztlich nicht zustande kam.
Belehrungserfordernis besteht bereits bei Unterbreitung des Verständigungsvorschlags.

Besonders wichtig sind auch die BVerfG-Beschlüsse vom 26.8.2014 – 2 BvR 2172/13 und 2400/13:

Im Strafverfahren hat das Gericht zu Beginn der Hauptverhandlung mitzuteilen, ob Gespräche über die Möglichkeit einer Verständigung stattgefunden haben. Auch eine Negativmitteilung, dass keine solchen Gespräche stattgefunden haben, ist erforderlich.
Die gesetzlich vorgeschriebene Belehrung des Angeklagten im Rahmen einer Verständigung muss nicht nur vor seinem Geständnis, sondern bereits vor seiner Zustimmung zu der Verständigung erfolgen.

Für die spätere Rüge muss der Verteidiger jedenfalls auch nicht einen Gerichtsbeschluss über die fehlende Protokollierung erwirken – so jedenfalls BGH vom 5.6.2014 – 2 StR 381/13.

Die Verhängung einer Bewährungsauflage – und wohl auch einer Nebenstrafe – gemäß § 56b Abs. 1 S. 1 StGB verstößt gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und unterliegt im Beschwerdeverfahren der Aufhebung, wenn der Angeklagte vor Vereinbarung einer Verständigung gemäß § 257c StPO, deren Gegenstand die Verhängung einer zur Bewährung auszusetzenden Freiheitsstrafe ist, nicht auf konkret in Betracht kommende Bewährungsauflagen hingewiesen worden ist.[13]

Sowohl eine Rücknahme von gestellten Beweisanträgen als auch eine Verfolgungsbeschränkung gemäß § 154a Abs. 2 StPO können zulässiger Gegenstand einer Verständigung sein. Es kommt dabei nicht auf verbale Distanzierungen des Gerichts, sondern auf das an, was mit den Äußerungen und Verfahrenshandlungen unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs und des Empfängerhorizonts den Umständen nach wirklich gemeint war. Folgerichtig ist dann bei einem Verfahrensgeschehen, das typische Merkmale einer Verständigung aufweist, von einer Verständigung auszugehen und an dem für Absprachen geltenden Maßstab zu messen.[14]

 

Rz. 14

Man darf daher die Entscheidung des BGH vom 3.9.2013 – 2 StR 410/13 folgendermaßen zusammenfassen:

Nach § ...

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