Rz. 47

Die Parteien können die Erläuterung eines Gutachtens durch den Sachverständigen auch im selbstständigen Beweisverfahren beantragen (§§ 492, 411 Abs. 3 ZPO),[61] selbst wenn das Gericht dies nicht als erforderlich ansieht. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit von (Ergänzungs-)Fragen an den Sachverständigen ist ein großzügiger Maßstab angezeigt.[62]

 

Rz. 48

 

Hinweis

Die nach § 492 ZPO anwendbare Vorschrift des § 411 Abs. 4 ZPO verweist auf die Verspätungsvorschriften des § 296 Abs. 1, 4 ZPO, weshalb ein Antrag auf Ergänzung oder Anhörung des Sachverständigen auch im selbstständigen Beweisverfahren als verspätet zurückgewiesen werden kann. Generell sollten Einwendungen gegen die Richtigkeit und/oder Vollständigkeit des Beweisergebnisses unbedingt bereits im selbstständigen Beweisverfahren geltend gemacht werden (siehe Rdn 74). Unter Umständen kann kurzfristig auch ein Privatgutachten eines anderen Sachverständigen vorgelegt werden.

 

Rz. 49

Ungeachtet der grundsätzlichen Ziels, eine zügige Beweissicherung vorzunehmen, kann auch im selbstständigen Beweisverfahren ein weiteres Gutachten angezeigt sein (§§ 492, 412 ZPO), wobei die bekannt strengen Anforderungen zu berücksichtigen sind.[63]

 

Rz. 50

Im selbstständigen Beweisverfahren können Umstände eintreten, die eine Ablehnung des Sachverständigen erfordern. Obgleich dem selbstständigen Beweisverfahren ein Eilcharakter zukommt, ist ein Ablehnungsantrag auch hier möglich.[64] Das Risiko eines Beweisverlustes im Falle eines erfolgreichen Ablehnungsantrages, weil das Gericht nun einen neuen Sachverständigen bestellen muss, trägt daher der Antragsteller. Nur vereinzelt ist ein Ablehnungsrecht unter Hinweis auf den Eilzweck des Verfahrens zurückgewiesen worden, wenn im Falle des Erfolgs Beweisverlust eingetreten wäre;[65] abgesichert ist dieser rechtliche Ansatz indes nicht.

 

Rz. 51

Gem. § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus den gleichen Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen (§§ 4142 ZPO). Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit ist also insbesondere möglich, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Sachverständige tatsächlich befangen ist oder das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Entscheidend ist allein, ob aus der Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zu zweifeln. Es müssen also tatsächliche Umstände vorliegen, die ein auch nur subjektives Misstrauen der Partei in die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftigerweise rechtfertigen können.[66]

 

Rz. 52

Die eine Besorgnis der Befangenheit begründenden Umstände können in der Person des Sachverständigen wie in der Art der Gutachtenerstattung begründet sein. Die Kasuistik ist vielfältig.[67] Ein Ablehnungsrecht kann etwa bestehen, wenn der Sachverständige vor dem Beweisverfahren ein Gutachten für eine der Parteien erstattet hat[68] oder wenn er nach Erstattung des Beweisverfahrensgutachtens von einer Partei mit der Erstattung eines weiteren Privatgutachtens beauftragt wurde.[69] Ein Ablehnungsgrund liegt ebenfalls vor, wenn der Sachverständige nur eine/n der Parteien/Verfahrensbevollmächtigten zum Ortstermin lädt[70] oder das Verhalten einer Partei im Gutachten als "rüpelhaft" bzw. deren Vortrag als "Märchenstunde" bezeichnet.[71] Wegen der im selbstständigen Beweisverfahren häufig – sachbedingt – laienhaft formulierten Beweisfragen kommt es mitunter zur Frage, ob eine Gutachtenüberschreitung des Sachverständigen vorliegt, die eine Ablehnung rechtfertigt. Hierfür genügt aber nicht jede Überschreitung eines Gutachterauftrags. Die Klärung, ob diese geeignet ist, bei einer Partei bei vernünftiger Betrachtung die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen hervorzurufen, ist einer schematischen Betrachtungsweise nicht zugänglich, sondern kann nur aufgrund des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden.[72]

 

Rz. 53

 

Hinweis

Gem. § 406 Abs. 2 ZPO ist der Ablehnungsantrag rechtzeitig vor einer Vernehmung des Sachverständigen, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen (!) nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung zu stellen. Ergeben sich die Befangenheitsgründe erst zu einem späteren Zeitpunkt, muss der Ablehnungsantrag unverzüglich gestellt werden. Unverzüglich kann im Einzelfall auch weniger als zwei Wochen bedeuten. Ergibt sich der Grund zur Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit aus dem Inhalt des schriftlichen Gutachtens, läuft im Allgemeinen die Frist zur Ablehnung des Sachverständigen gleichzeitig mit der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 S. 2 ZPO ab, wenn sich die Partei zur Begründung des Antrags mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen muss.

 

Rz. 54

Wird die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befang...

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