Rz. 114

Die sog. "Aufteilungsrechtsprechung" des BFH[120] ist vielfach unbekannt. Sie basiert dogmatisch auf § 12 Abs. 3 BewG: Danach ist bewertungsrechtlich der Wert unverzinslicher Forderungen oder Schulden, deren Laufzeit mehr als ein Jahr beträgt, und die zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig sind, um einen Zinsanteil nach Abzug von Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen zu kürzen, wobei von einem Zinssatz von 5,5 % p.a. auszugehen ist. Eine solche unverzinsliche Forderung ist also in einen Kapitalanteil und einen Zinsanteil aufzuteilen. Dies korrespondiert mit der Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG, wonach Verbindlichkeiten im Betriebsvermögen mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen sind, wenn die Laufzeit der Verbindlichkeiten am Bilanzstichtag noch mindestens zwölf Monate beträgt.

 

Rz. 115

Diese Aufteilung einer langfristig unverzinslich gestundeten Forderung bzw. Verbindlichkeit in einen Kapitalanteil und einen Zinsanteil soll nach der Rechtsauffassung verschiedener Senate des BFH und der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung nicht nur für die erbschaft- bzw. schenkungsteuerrechtliche Bewertung und für die ertragsteuerliche Bewertung bilanzierender Unternehmer gelten. Da nach § 1 Abs. 1 BewG die allgemeinen Bewertungsvorschriften der §§ 12 bis 16 BewG für alle öffentlich-rechtlichen Abgaben, die durch Bundesrecht geregelt sind, gelten, wird darin ein allgemeiner Rechtsgrundsatz für die steuerliche Behandlung langfristig unverzinslich gestundeter Forderungen bzw. Verbindlichkeiten gesehen; deshalb sollen auch andere langfristig unverzinslich gestundete Forderungen/Verbindlichkeiten entsprechend abgezinst und in einen Kapitalanteil und in einen Zinsanteil aufgeteilt werden.

 

Rz. 116

Der so ermittelte Zinsanteil soll dann nach der Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG bei dem Gläubiger der Forderung zum Zeitpunkt des Zuflusses (vgl. § 11 EStG) zu Einkünften aus Kapitalvermögen führen ("Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art"). Dies soll insbesondere auch dann gelten, wenn die Beteiligten des Rechtsverhältnisses die Stundung ausdrücklich als "unverzinslich" vereinbart haben. Insoweit besteht dann auch eine Steuererklärungspflicht im Rahmen der Einkommensbesteuerung des Gläubigers der Kapitalforderung mit den gesetzlich vorgesehenen Sanktionen bei Nichtbeachtung, bis hin zu Einleitung von steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren.

 

Rz. 117

Diese Rechtsprechung hat der 8. Senat des BFH[121] in einem Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung zumindest für eine zinslos gestundete Zugewinnausgleichsforderung allerdings inzwischen in Zweifel gezogen: Ob bei zinsloser Stundung eines ehevertraglich anerkannten Zugewinnausgleichsanspruchs Zinsen für die Stundung als Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG anzusetzen sind, ist ernstlich zweifelhaft i.S.d. § 69 FGO. Zwar sind die tatbestandlichen Voraussetzungen dafür dem Grunde nach erfüllt, jedoch kommt zugleich eine Schenkung des anspruchsberechtigten Ehegatten im Sinne des ErbStG in Betracht. Um eine Doppelbesteuerung dem Grunde nach zu verhindern, muss die Ertragsbesteuerung in derartigen Konstellationen zurücktreten.

[120] BFHE 114, 463; 115, 514; 132, 38; 139, 154; 170, 98; 212, 83; BFH/NV 1993, 87.
[121] BFH/NV 2012, 229 = FamRB 2012, 85.

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