Rz. 82

Bei der Schadenfeststellung (z.B. Ermittlung des Umfanges der Verletzungen) sind dem Geschädigten Rücksichtspflichten auferlegt, deren Verletzung ihn u.U. zum Ersatz von Mehrkosten der Schadenregulierung verpflichten können.[120] Die Feststellung der Verletzungen im gerichtlichen Beweissicherungsverfahren ist regelmäßig nicht erforderlich;[121] die damit verbundenen erhöhten Aufwendungen insbesondere für Anwalt und Gericht sind vom Schädiger nicht zu tragen.[122]

 

Rz. 83

Der Verletzte ist regelmäßig verpflichtet, aussagekräftige ärztliche Unterlagen zur Prüfung des Verletzungsumfanges beizubringen[123] bzw. dem Versicherer die notwendigen Schweigepflichtentbindungserklärungen zur Verfügung zu stellen. Lehnt ein Verletzter medizinische Begutachtungen ab, kann dies zu seinen Lasten im Prozessfall gehen.[124]

 

Rz. 83a

Zivilgerichte dürfen für die Zwecke eines anhängigen Schadensersatzprozesses durch Aktenübersendung Einsicht in staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten mit vertraulichem Inhalten erhalten. Die Staatsanwaltschaft kann davon ausgehen, dass das Landgericht vor einer eventuellen Weitergabe zumindest von Teilen der staatsanwaltschaftlichen Akte die erforderliche Interessenabwägung vornehmen werde.[125]

 

Rz. 84

Wird ein Erwerbsschaden durch Sachverständige ermittelt, hat der Ersatzpflichtige (Schädiger bzw. Haftpflichtversicherer) einen Anspruch darauf, dass alle Angaben, die der Geschädigte dem Sachverständigen zur Erstellung des Gutachtens gemacht oder durch Einblick in die Geschäftsunterlagen vermittelt hat, auch ihm (dem Ersatzpflichtigen) zur Kenntnis gebracht werden, soweit sie zur Schadenberechnung von Bedeutung sind.[126] Gleiches gilt für medizinische Untersuchungen und Erkenntnisse.

 

Rz. 85

Auch im Rahmen der Beweiserleichterungen kann eine Verpflichtung bestehen, Einkommensteuererklärungen und -bescheide für vor dem Unfall liegenden Jahre dem Gericht vorzulegen.[127] Wenn das nicht ohne Aufdecken des Steuergeheimnisses des Geschädigten möglich ist, ist dieses ein Nachteil, den der Verletzte bei der Geltendmachung des konkreten Schadens auch im Rahmen des § 252 BGB hinnehmen muss.[128]

 

Rz. 86

Wird Minderverdienst oder Einkommensverlust geltend gemacht, hat der Verletzte unaufgefordert seine nach dem Haftpflichtgeschehen tatsächlich erzielten Einkünfte zu offenbaren und mit den behaupteten Einbußen zu verrechnen.[129]

 

Rz. 87

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, prüfbare und nachvollziehbare Abrechnungsunterlagen zu überreichen, wenn er Ersatz der Entgeltfortzahlung verlangt. Aber auch andere Drittleistungsträger (wie Berufsgenossenschaft, Krankenkasse) haben den Nachweis zu führen (siehe § 2 Rn 133 ff.).

[120] BGH v. 11.10.1983 – VI ZR 251/81 – BB 1984, 568 = FamRZ 1984, 142 = MDR 1984, 305 =VersR 1984, 79. Siehe auch OLG Stuttgart v. 17.9.1993 – 2 W 26/93 – SP 1994, 227 (Recht auf Einsicht in Originalunterlagen); Höher/Mergner "Mitwirkungspflichten des Geschädigten im Personenschaden" r+s 2012, 1 (zu VI).
[121] Zu den Anforderungen siehe BGH v. 24.9.2013 – VI ZB 12/13 – NJW 2013, 3654 = VersR 2014, 264 (Ein rechtliches Interesse an einer vorprozessualen Klärung der haftungsrechtlich maßgeblichen Gründe für einen Gesundheitsschaden durch einen Sachverständigen kann im selbständigen Beweisverfahren auch dann gegeben sein, wenn zwar die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann, jedoch für eine abschließende Klärung weitere Aufklärungen erforderlich erscheinen.).
[122] Siehe OLG Düsseldorf v. 24.11.1981 – 4 U 105/81 – VersR 1982, 1147.
[123] KG v. 26.10.2006 – 12 U 62/06 – KGR 2007, 375 = NZV 2007, 308 = VRS 112, 5 (Trägt ein Unfallbeteiligter zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der ersten Instanz nicht vor, unter welchen körperlichen Beeinträchtigungen er noch leidet, ist seinem Antrag auf Vernehmung des behandelnden Arztes nicht nachzukommen. Macht der Kläger dann in der Berufung erstmals geltend, unfallbedingt in seiner Lebensführung erheblich behindert zu sein, ist dieses Vorbringen nach § 531 II 3 ZPO nicht zuzulassen.); OLG Hamm v. 8.6.1994 – 32 U 166/90 – OLGR 1995, 271 = zfs 1996, 11 (Keine Bindung des Gerichtes an die Auffassung eines Arztes zur Arbeitsunfähigkeit eines Verletzten); AG Beckum v. 15.7.1997 – 7 C 89/97 – r+s 1997, 458 (Anm. Lemcke insb. zum HWS-Schaden).
[124] OLG Hamburg v. 19.12.2006 – 9 W 105/06 – (Selbst bei Annahme eines "Sachverwertungsverbotes" für rechtswidrig erlangten Sachvortrag führt dies nicht zur Unverwertbarkeit der erlangten Informationen. Unstreitige Tatsachen hat das Gericht seiner Entscheidung zugrunde zu legen, ohne dass es auf einen etwaigen Ausschluss von Beweismitteln ankommt.); OLG Koblenz v. 14.11.1994 – 12 U 1830/93 – r+s 1996, 403 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 7.11.1995 – VI ZR 393/94 – (Absehen von weiterer Gutachteneinholung und Rückgriff auf anderweitige Sozialgerichtsakten, als Verletzter die Begutachtung durch Gerichtsgutachter ablehnte); OLG München v. 12.1.2006 – 1 U 3633/05 – ArztR 2006, 333 = GesR 2006,...

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