Rz. 66

Eingliederungskosten ("Umschulung") können auch bei erstmaliger Ausbildung eines als Kind Geschädigten anfallen. In diesem Zusammenhang ist aber zu beachten, dass eine vorbehaltlose (oder jedenfalls den Verdienstausfallschaden erledigende) Abfindung im Einzelfall den Forderungswechsel ausschließen kann (dazu siehe § 7 Rn 70).

 

Rz. 67

Das OLG Oldenburg[97] führt in diesem Zusammenhang u.a. aus:

Zitat

... Knüpfen hingegen Sozialleistungen, wie dies bei den hier streitigen Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit der Fall ist, nicht an das Bestehen eines Sozialversicherungsverhältnisses an, ist für den Rechtsübergang erforderlich, dass nach den konkreten Umständen eine Leistungspflicht ernsthaft in Betracht kommt (BGH NJW-RR 2009, 1534[98] ...).

Zum Zeitpunkt der Geburt fehlte es naturgemäß an jeglichen konkreten Anhaltspunkten dafür, ob zu irgendeinem späteren Zeitpunkt vielleicht einmal Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden würden. Diese Möglichkeit lag allenfalls im Bereich des theoretisch Denkbaren.

Im Ergebnis nicht anders war die Situation im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses, als der Geschädigte 7 Jahre alt war. Zwar sind künftige Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit auch bei Kindern theoretisch denkbar. Anders als bei Berufstätigen oder Studenten (auszubildender Heizungsbauer BGH NJW-RR 2009, 1534;[99] Student BGH NJW 1994, 3097;[100] Polizeibeamter OLG Celle OLGR 2006, 630[101]) ist aber bei ihnen zumindest in jungen Jahren völlig offen, ob und wann solche Maßnahmen tatsächlich durchgeführt werden (10jähriger Schüler BGH MDR 1984, 832;[102] 5½jähriges Kind OLG Köln VersR 1982, 780[103]). Bereits deshalb fehlte es auch 1997/98 im entscheidenden Fall an hinreichend konkreten Anhaltspunkten für eine künftige Leistungspflicht (gerade) der Klägerin. Für einen Anspruchsübergang war daher zu einem so frühen Zeitpunkt kein Raum.

 

Rz. 68

Wird ein Verletzter, dessen Umschulung zu einem seiner bisherigen Tätigkeit gleichwertigen Beruf möglich und ihm zumutbar war, auf eigenen Wunsch für eine höher qualifizierte Arbeit ausgebildet, beschränkt sich die Ersatzverpflichtung auf diejenigen Umschulungskosten, die auch bei einer Ausbildung zu einem gleichwertigen Beruf angefallen wären.[104] Hätte die Ausbildung im gleichwertigen Beruf in kürzerer Zeit abgeschlossen werden können, ist ebenso für den darüber hinausgehenden Zeitraum kein Verdienstausfall oder Minderverdienst zu ersetzen, wenn eine entsprechend frühzeitigere Vermittlung in diesem gleichwertigen Beruf wahrscheinlich gewesen wäre. Bietet allerdings nur die Umschulung in einen höherwertigen Beruf Aussicht auf erfolgreiche Vermittlung in ein Beschäftigungsverhältnis, kann diese im Einzelfall ersatzfähig sein.

 

Rz. 69

Zu den notwendigen Reha-Kosten zählt auch die Eingliederungshilfe, die für den unfallbedingt zur Umschulung gezwungenen Verletzten an dessen künftigen Arbeitgeber gezahlt wird.[105]

 

Rz. 70

Ist die Umschulung durch Verschulden des Verletzten nutzlos geblieben, hat der Ersatzpflichtige sie nicht zu bezahlen.[106]

 

Rz. 71

War der Verletzte ohne erlernten Beruf, erstreckt sich die Ersatzpflicht von Umschulungskosten u.U. nur auf zusätzliche unfallbedingte Ausbildungskosten.[107] Das OLG Stuttgart[108] führt dazu aus:

 

Rz. 72

Zitat

Bei den Ersatzansprüchen des Klägers, die er als einheitliche Rehabilitationskosten geltend macht, ist daher zu unterscheiden zwischen denen zur medizinischen und solchen zur beruflichen Rehabilitation. Nur erstere kann der Kl. ersetzt verlangen. Denn die nach § 249 BGB in erster Linie geschuldete Naturalrestitution beschränkt sich in dem Fall, in dem der Geschädigte im Unfallzeitpunkt noch gar keinen Beruf gelernt und ausgeübt hat, auf die Beseitigung der körperlichen Schäden. Der Geschädigte soll in die Lage versetzt werden, nach Wiederherstellung der Gesundheit, den Beruf erlernen zu können, den er auch ohne das schädigende Ereignis erlernt hätte, zumindest einen gleichwertigen Ersatzberuf.

Im Gegensatz dazu gehören bei einem Geschädigten, der bereits im Berufsleben gestanden hat, zur Naturalrestitution auch die Kosten der beruflichen Rehabilitation durch Umschulung oder ähnliche Maßnahmen.[109] Auf diese Weise soll eine verlorene Erwerbsmöglichkeit zurückgewonnen oder durch eine vergleichbare ersetzt werden.

Hat jedoch, wie im vorliegenden Fall, eine Erwerbstätigkeit noch gar nicht bestanden, und wären, wie hier unstreitig, die Kosten für das erfolgreich durchgeführte Studium der Geschädigten auch ohne den Unfall entstanden, ist insoweit für einen Schadenersatzanspruch kein Raum. Nur dann, wenn unfallbedingt zusätzliche Studienkosten im weitesten Sinne entstanden wären, bestünde ein Schadenersatzanspruch. Dazu trägt der Kläger jedoch nichts vor.

[97] OLG Oldenburg v. 19.1.2011 – 5 U 113/10 – juris (BGH hat Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, Beschl.v. 14.2.2012 – VI ZR 32/11 –), ebenso OLG Oldenburg v. 5.6.2013 – 5 U 76/12 – juris.

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