Rz. 68

Mit der Einführung eines Nacherfüllungsanspruchs (§ 439 BGB) hat der Gesetzgeber dem allgemeinen Rechtsempfinden der deutschen und internationalen Rechtsgemeinschaft Rechnung getragen, wonach ein Nacherfüllungsanspruch bei Mängeln gewissermaßen der "erste Gedanke" ist ("Umtausch") und in der Rechtspraxis auch aufgrund zulässiger AGB schon ständig umgesetzt wird.[131] Andererseits wird der Verbraucher durch den Verlust des sofortigen Rechts auf Rücktritt (früher Wandelung) oder Minderung schlechter gestellt.[132] Für den Verkäufer ist das Recht der zweiten Andienung erwachsen.[133]

 

Rz. 69

Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl

die Lieferung einer mangelfreien Sache (Nachlieferung) oder
die Beseitigung des Mangels (Nachbesserung) verlangen.

Der Anspruch setzt weder Verschulden noch Fristsetzung voraus.[134] Zum Wahlrecht zwischen Nachlieferung und Nachbesserung vgl. die Ausführungen unten (siehe Rdn 80).

 

Rz. 70

 

Praxistipp

Eine Frist zur Nacherfüllung sollte dennoch stets gesetzt werden, um auch die weiteren Rechte (siehe Rdn 63) geltend machen zu können, falls der Verkäufer auf das Nacherfüllungsverlangen nicht reagiert.

 

Rz. 71

Der Anspruch ist übertragbar. Falls die AGB des Verkäufers dessen Zustimmung vorsehen, darf diese nur aus wichtigem Grund verweigert werden.[135] Der Anspruch entfällt, wenn die Erfüllung unmöglich ist (§ 275 BGB, vgl. Rdn 104).

 

Rz. 72

Der Verkäufer muss sein Leistungsverweigerungsrecht als Einrede ausdrücklich ausüben, das bloße Vorliegen der objektiven Voraussetzungen genügt nicht.[136] Ist der Käufer Kaufmann, trifft ihn nach der Nacherfüllung – erneut – die Untersuchungs- und Rügelast aus § 377 Abs. 1 u. 3 HGB.[137] Zu den Folgen der Nacherfüllung für die Verjährung vgl. die Ausführungen unten (siehe § 15 Rdn 17).

 

Rz. 73

Beansprucht der Käufer Nacherfüllung, obwohl er erkannt oder fahrlässig nicht erkannt hat, dass ein Mangel nicht vorliegt, sondern die Ursache für das Symptom, hinter dem er einen Mangel vermutet, in seinen eigenen Verantwortungsbereich fällt, haftet der Käufer auf Schadensersatz und hat dem Verkäufer seine Aufwendungen für die Überprüfungsarbeiten zu erstatten.[138]

[131] BT-Drucks 14/6040, 220.
[132] Westermann, JZ 2001, 531, 537.
[133] Reinking, zfs 2003, 57.
[134] Palandt/Weidenkaff, § 439 Rn 7, 16; BGH NJW 2006, 1195.
[136] Palandt/Weidenkaff, § 439 Rn 14.
[137] Mankowski, NJW 2006, 865 ff.

1. Nachlieferung

 

Rz. 74

Ein Nachlieferungsanspruch kann sich nur auf den gesamten Kaufgegenstand beziehen, kann also beim Kfz vom Käufer nicht für ein einzelnes Zubehörteil durchgesetzt werden.[139] Bei einem defekten Zubehörteil hat somit der Verkäufer die Wahl, ob er es repariert oder erneuert.

Klärungsbedürftig und umstritten ist die Frage, ob bzw. wann bei Verkauf eines mangelhaften Gebrauchtwagens Lieferung eines vergleichbaren mangelfreien Wagens verlangt werden kann[140] oder ob eine solche Lieferung unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB) ist.[141]

 

Rz. 75

Im Regelfall ist aus der Natur der Sache heraus die Lieferung eines identischen gebrauchten Fahrzeugs dem Verkäufer gem. § 275 BGB unmöglich. Im Schadensersatzrecht ist zwar die Lieferung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs als Naturalrestitution anerkannt.[142] Hier geht es aber nicht um Schadensausgleich sondern um Nacherfüllung. Gebrauchte Güter können aufgrund ihrer Eigenart im Allgemeinen nicht ersetzt werden. Hieraus wird gefolgert, dass beim Kauf eines Gebrauchtwagens in der Regel[143] die Nachlieferung ausscheidet, da es sich um eine unvertretbare Sache handelt.

 

Rz. 76

Eine Ausnahme erscheint erwägenswert, wenn der Käufer selbst ein anderes gleichwertiges und mit gleichem Preis ausgezeichnetes Fahrzeug als Ersatz akzeptieren würde, der Verkäufer dies aber ablehnt. Es ist unbefriedigend, ihm sein Wahlrecht mit der Begründung abzusprechen, gebrauchte Güter könnten nicht ersetzt werden, wenn er selbst einen derartigen Ersatz akzeptiert. Er hat auch ein legitimes Interesse daran, dem häufig lästigeren Weg der Mängelbeseitigung aus dem Wege zu gehen. Er wird überdies schlechter behandelt, als der Käufer einer vertretbaren Sache, insbesondere als der Käufer eines Neufahrzeugs.

 

Rz. 77

Andererseits geht die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie,[144] welche die Verbesserung des Verbraucherschutzes anstrebt, selbst davon aus, dass gebrauchte Güter "im allgemeinen" nicht ersetzt werden können. Eine gesetzliche Ersetzungsbefugnis des Gläubigers[145] wird man in der weiten Formulierung des § 439 Abs. 1 BGB "Lieferung einer mangelfreien Sache" nicht sehen können.[146] Es darf nicht aus dem Blick verloren werden, dass es sich um einen Nacherfüllungsanspruch handelt mit dem Ziel, dem Käufer die gekaufte Sache zu verschaffen, nicht eine andere. Bei anderer Betrachtungsweise würde man über die Hintertür als Naturalrestitution einen Schadensersatzanspruch einführen, der jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers erst nachrangig zum Zuge kommen soll, wenn die Nacherfüllung scheitert und der im übrigen "Ver...

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