Rz. 284

Der Verkäufer und nicht eine dritte Person muss schuldhaft handeln bzw. die Garantie übernehmen. Fehler eines Erfüllungsgehilfen, wie z.B. eines Sachverständigen, bei der Beurteilung eines Sachmangels muss sich der Verkäufer zurechnen lassen (§ 278 BGB).[715] Der Hersteller eines Fahrzeugs ist nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers, so dass auch schuldhaft Fehler des Herstellers nicht dem Verkäufer gem. § 278 BGB zugerechnet werden.[716] Problematisch ist die innerbetriebliche Zurechnung bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften, in denen zahlreiche Mitarbeiter tätig sind:

 

Rz. 285

Bei Betrieben, die als GmbH firmieren, ist auf das Wissen des vertretungsberechtigten Geschäftsführers abzustellen, bei Werksniederlassungen von Automobilherstellern eigentlich auf das der Mitglieder des Vorstandes der AG, gem. § 166 Abs. 1 BGB aber auch auf das zuzurechnende Wissen des Niederlassungsleiters.[717] Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter i.S.d. § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat.[718] Es ist nicht zulässig, Kenntnisse von Mitarbeitern "mosaikweise" dem Vorstand zuzurechnen.[719]

 

Rz. 286

Unterhalb der Geschäftsleitungsebene ist jedes schuldhafte Verhalten eines Angestellten dem Verkäufer gem. § 278 BGB zuzurechnen. Darüber hinaus erkennt die Rechtsprechung auch den "Wissensvertreter" an, der kein Erfüllungsgehilfe beim Verkauf ist, z.B. den Einkäufer.[720] Ob dessen Wissen oder auch das sog. "Werkstattwissen"[721] dem Verkäufer im Einzelfall zuzurechnen ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere auch davon, ob ein Weiterverkauf wahrscheinlich ist bzw. ein anderer Anlass zur Weitergabe an die Geschäftsführung bestand,[722] es sich also um typischerweise aktenmäßig festgehaltenes Wissen handelt.[723] Bewusst unrichtige Angaben des Herstellers über Abgaswerte erfüllen nach Ansicht des LG München I[724] den Tatbestand der arglistigen Täuschung, auch wenn sie von einem gutgläubigen Verkaufsberater der Konzerntochter bei den Verkaufsverhandlungen verwendet worden sind. Dies ist auf der Grundlage der BGH-Rechtsprechung (vgl. Rdn 285) abzulehnen[725] (vgl. hierzu auch Rdn 297, 310 und 310).

Es genügt für den bedingten Vorsatz, dass der Verkäufer seine Mitarbeiter nicht ausreichend mit vertragsrelevanten Mitteilungen versorgt hat, so dass zu erwarten war, dass in seinem Namen unrichtige Erklärungen abgegeben werden.[726] Eine Garantie seines Mitarbeiters muss sich der Verkäufer als Pflichtverletzung zurechnen lassen.[727]

 

Rz. 287

Kann Arglist, Vorsatz oder Garantie nicht nachgewiesen werden, kann die Haftung in den meisten Fällen aus einem fahrlässigen Organisationsmangel folgen, wenn wichtige Informationen innerhalb einer Firma nicht weitergegeben wurden.[728]

[717] Reinking/Eggert, Rn 4288.
[718] BGH NJW 2017, 250 (zur Prospekthaftung).
[719] BGH NJW 2017, 250.
[720] BGH NJW 1996, 1205; OLG Schleswig NJW-RR 2005, 1579.
[721] Reinking/Eggert, Rn 4328.
[722] BGH NJW 1996, 1205.
[723] BGH NJW 1995, 2159; 1996, 1205.
[724] LG München I DAR 2016, 389.
[725] Reinking/Eggert, Rn 4287.
[726] LG Gießen MDR 2005, 390.
[727] LG Karlsruhe NJW-RR 2005, 1368.
[728] So der BGH NJW 1996, 1205 in dem Fall einer unterlassenen Dokumentation.

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