Rz. 99

Kosten einer eigenmächtigen Selbstvornahme durch den Käufer braucht der Verkäufer, der keine Gelegenheit zur Nachbesserung erhalten hat, nicht zu übernehmen.[227] Der Käufer kann auch nicht die Erstattung der dem Verkäufer ersparten Nachbesserungskosten gem. § 326 Abs. 2 S. 2, Abs. 4 BGB verlangen, selbst dann nicht, wenn es ihm aus besonderen Gründen nicht zuzumuten war, dem Verkäufer zuvor Gelegenheit zur Nacherfüllung zu geben.[228] Auch die Reparatur bei einem anderen Vertragshändler derselben Automarke kann der Käufer nicht erstattet verlangen.[229] Nur wenn es zum Rücktritt kommt, kann dem Käufer ein Anspruch aus § 347 Abs. 2 BGB auf Erstattung seiner Kosten als notwendige Verwendungen zustehen.[230] In Betracht kommt auch ein Schadensersatzanspruch gem. §§ 434, 281 Abs. 2 BGB, wenn eine Notmaßnahme zur Erhaltung des Kaufgegenstandes notwendig war, die der Verkäufer nicht rechtzeitig veranlassen könnte.[231]

 

Rz. 100

 

Praxistipp

Bei dieser strengen Rechtsprechung muss dem Käufer stets geraten werden, auch dann schriftlich oder telefonisch (dann mit einem mithörenden Zeugen) die Nacherfüllung vom Verkäufer mit Fristsetzung zu verlangen, wenn praktisch feststeht, dass der Verkäufer die Nacherfüllung wegen unverhältnismäßig hoher Kosten ablehnen wird (siehe Rdn 108 ff.). Beispiel: Das in Hamburg gekaufte Fahrzeug bleibt in München mit einem Lagerschaden (Kostenaufwand 500 EUR) liegen. Der BGH[232] hält auch in einem solchen Fall an der Notwendigkeit eines befristeten Nachbesserungsverlangens fest.[233]

 

Rz. 101

Ob diese strenge, verbraucherunfreundliche Rechtsfolge so vom Gesetzgeber im Rahmen der Schuldrechtsreform wirklich beabsichtigt war, ist zweifelhaft. Eine entsprechende Vorschrift wie im Werkvertragsrecht (§ 637 BGB) wurde jedoch bewusst nicht aufgenommen. Einschränkungen zugunsten des Käufers kommen aber dann in Betracht, wenn eine ihn zurechenbare Obliegenheitsverletzung nicht vorliegt, er also die durch die Selbstvornahme verursachte Unmöglichkeit der Nacherfüllung nicht zu verantworten hat.[234] Der Käufer muss dem Verkäufer also nur Gelegenheit zur Nacherfüllung geben, wenn er damit rechnen muss, dass ein Defekt der Kaufsache einen Mangel i.S.d. § 434 BGB darstellt, wie z.B. bei einem Sachmangel, der innerhalb der ersten 6 Monate nach Gefahrübergang auftritt.[235] Auch der bloße Ankauf eines Ersatzteils durch den Käufer einer mangelhaften Sache führt noch nicht zu einer verschuldeten Unbehebbarkeit des Mangels und damit zum Ausschluss von Gewährleistungsrechten.[236]

[227] BGH NJW 2005, 1348 = DAR 2005, 327; BGH NJW 2005, 3211; LG Gießen DAR 2004, 454; AG Kempten DAR 2004, 34 m. Anm. Dötsch; AG Daun DAR 2004, 32; AG Nürtingen zfs 2004, 513 m. Anm. Diehl; Ball, NZV 2004, 217, 227; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 Rn 54 ff.; a.A. Lorenz, NJW 2003, 1417 ff.; ders., NJW 2005, 1889, 1895 und NJW 2006, 1175; weitere Nachweise bei Palandt/Weidenkaff, § 437 Rn 4a und Dauner-Lieb, AnwBl 2006, 430, 433 f.
[229] BGH DAR 2006, 259 ff.
[230] Lerach, JuS 2008, 953.
[232] BGH DAR 2006, 259, 262.
[233] Kritisch hierzu Lorenz, NJW 2006, 1175, 1178.
[234] BGH NJW 2006, 1195; Lorenz, NJW 2007, 1, 5.
[235] Lorenz, NJW 2006, 1175, 1178 f.; ders., NJW 2007, 1, 5.
[236] Lorenz, NJW 2007,1, 4 unter Hinw. auf BVerfG BeckRS 2006, 26166.

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