Rz. 310

Wer Schadensersatz nicht von seinem Vertragspartner beanspruchen kann, weil dieser gutgläubig war oder die Haftung ausgeschlossen hat, sondern von einem Vorbesitzer in der Käuferkette, der arglistig gehandelt hat (Durchgriffshaftung), kann den Anspruch nur unter engen Voraussetzungen auf § 826 BGB stützen.[776]

Dies wird insbesondere auch im Rahmen des VW-Abgasskandals für Ansprüche gegen den Hersteller diskutiert und teilweise bejaht.[777] Soweit ein Anspruch verneint wird,[778] geschieht dies mit der Begründung, es fehle am Zurechnungszusammenhang zwischen dem entstandenen Schaden (Vermögensschaden) und dem Schutzzweck des verletzten Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 vom 20.6.2007 (Umweltschutz). Dabei wird übersehen, dass die Sittenwidrigkeit nicht allein im Verstoß gegen die Verordnung zu sehen ist, sondern im Verschweigen der Abschaltsoftware gegenüber dem Kunden. Im Übrigen kann von einer "mittelbaren Schädigung" dann nicht gesprochen werden, wenn der Schaden (beim Kunden) vom Vorsatz des Schädigers umfasst ist.[779] Der Sittenverstoß kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Schaden entfällt.[780] Eine BGH-Entscheidung hierzu liegt noch nicht vor.

 

Rz. 311

Erfolgsaussichten für die auf § 826 BGB gestützte Klage wegen der Abgasmanipulation im Rahmen eines PKH-Verfahrens oder für die Deckungszusage einer Rechtsschutzversicherung sind unabhängig davon, welcher Auffassung man folgt, zu bejahen.[781] Allerdings ist die Hürde der Darlegungs- und Beweislast hoch, denn eine Zurechnung des Wissens von Mitarbeitern gem. § 166 BGB auf den Vorstand dürfte sich auf der Grundlage einer vom BGH[782] zur Prospekthaftung ergangenen Entscheidung verbieten.

Das Wissens- und Wollenselement muss beim Vorstand selbst vorliegen.[783] Allerdings trägt der Konzern die sekundäre Beweislast dafür, warum die Kenntnis trotz der nach §§ 76, 77, 91 Abs. 2 AktG gebotenen Berichts- und Kontrollmaßnahmen beim Vorstand nicht gegeben war. Fehlt es daran, sind dem Vorstand die Verstöße gem. §§ 31, 166 BGB zuzurechnen.[784]

 

Rz. 312

Wer einen schweren Unfallschaden beim Verkauf verschweigt, haftet nicht nur gegenüber seinem Vertragspartner,[785] sondern aus § 826 BGB auch gegenüber allen späteren Käufern des Fahrzeugs,[786] wenn sein Vorsatz die Möglichkeit eines Weiterverkaufs durch seinen Käufer umfasst.[787] Davon kann bei einem Verkauf an eine Privatperson meistens nicht ausgegangen werden, wohl aber bei einem Verkauf an einen Händler.[788] In diesen Fällen kann auch dem Käufer zur Durchsetzung von Ansprüchen verholfen werden, der gegen seinen Vertragspartner keine eigenen Ansprüche hat, weil dieser gutgläubig war oder die Haftung wirksam ausgeschlossen hat und gegen den der Käufer auch i.d.R. keinen Anspruch auf Abtretung von Sachmängelansprüchen gegen dessen Verkäufer hat[789] (vgl. § 13 Rdn 28 ff.).

 

Rz. 313

Verletzt der Verkäufer seine Verkehrssicherungspflicht, weil er Warn- und Instruktionspflichten nicht erfüllt, haftet er für den hieraus folgenden Schaden gem. § 823 Abs. 1 BGB, wenn sie sich auf Gefahren beziehen, die den Hersteller zu einer Rückrufaktion veranlasst haben und zwar auch bei einem Verkauf eines Gebrauchtfahrzeugs der Marke, auf die sich die Vertragsbindung des Händlers bezieht.[790]

[777] LG Hildesheim DAR 2017, 83; LG Kleve, Urt. v. 31.3.2017 – 3 O 252/16, juris; Gutachten der wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags vom 15.10.2015, WD7–3000–184/15; Revilla, zfs 2016, 10; Riehm, DAR 2016, 12.
[778] LG Köln, Urt. v. 7.10.2016 – 7 O 138/16, juris; LG Braunschweig, Urt. v. 21.1.2017 – 6 O 696/16 (088), n.v.
[779] Staudinger/Oechsler, § 826 Rn 105 f.
[780] Staudinger/Oechsler, § 826 Rn 101.
[781] OLG Celle MDR 2016, 1016; OLG Karlsruhe NJW 2017, 277; LG Essen r+s 2016, 512; LG Detmold VersR 2016, 1493; OLG Hamm, Urt. v. 21.6.2016 – I-28 W 14/16, juris.
[782] BGH NJW 2017, 250.
[783] Reinking/Eggert, Rn 4287; a.A LG Hildesheim DAR 2017, 83.
[784] LG Kleve, Urt. v. 31.3.2017 – 3 O 252/16, juris; vgl. auch Reinking/Eggert, Rn 1898 f.
[785] OLG Saarbrücken DAR 2000, 361.
[788] Eggert, DAR 2015, 541.
[789] OLG Hamm MDR 2001, 87.
[790] OLG Düsseldorf OLGR 2009, 349.

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