Rz. 90

Der Verkäufer hat alle erforderlichen Kosten zu tragen, und zwar sowohl für die eigenen Aufwendungen, z.B. Transport, Lohnkosten und Material (§ 439 Abs. 2 BGB) als auch für die Aufwendungen des Käufers, wie z.B. Wegekosten,[194] zusätzliche Wartungskosten[195] (z.B. für Erstinspektion des Ersatzfahrzeugs), Transportkosten,[196] Abschleppkosten[197] sowie Rechtsanwaltskosten (str.).[198] Bei komplexeren Sachverhalten wie dem der manipulierten VW-Abgassoftware wird eine 1,7 Geschäftsgebühr für angemessen gehalten.[199] Hat der Käufer solche Kosten bezahlt, hat er einen Erstattungsanspruch aus § 812 BGB.[200] Der Käufer hat auch einen Vorschussanspruch.[201] Die vom Käufer für die Fahrten zur Werkstatt aufgewendete Zeit ist auch für Reklamationen und Terminsbestimmungen nicht zu erstatten[202] (zu den Sachverständigenkosten vgl. Rdn 94).

 

Rz. 91

Der Verkäufer hat auch die Kosten zu tragen, die er aufwendet, um die Berechtigung einer Mängelrüge zu überprüfen, und zwar auch dann, wenn sich die Mängelrüge als unberechtigt erweist,[203] es sei denn, der Käufer hätte mit der im Ergebnis unberechtigten Mängelrüge seinerseits gegen vertragliche Pflichten verstoßen (vgl. Rdn 73), also fahrlässig nicht erkannt, dass ein Mangel nicht vorliegt, sondern die Ursache im eigenen Verantwortungsbereich liegt.[204] Es gehört nämlich zum Pflichtenkreis des Käufers, dem Verkäufer zunächst Gelegenheit zur Prüfung des Mangels zu geben, bevor er auf Kosten des Verkäufers Dritte einschaltet oder eigene Mittel einsetzt, um den Mangel feststellen zu können.[205]

 

Rz. 92

Hotelkosten, Reisekosten, entgangener Urlaub und Verdienstausfall sind nur unter den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs (vgl. dazu Rdn 215 ff.) zu erstatten. Das gleiche gilt für Nutzungsausfall[206] und Mietwagenkosten.[207] Wird kein Mietwagen gestellt, kann die Nacherfüllung für den Käufer aber unzumutbar sein (vgl. Rdn 157). Bei Mängeln an Zubehörteilen, die der Käufer bei einem anderen Verkäufer als dem des Fahrzeugs gekauft und eingebaut hat, ist umstritten, ob die Einbau- und Ausbaukosten vom Verkäufer zu tragen sind.[208]

 

Rz. 93

Der Käufer, der das Fahrzeug selbst zur Werkstatt fährt, trägt das Transportrisiko. Unfreiwillig entstandene Transportschäden gehören nicht zu den vom Verkäufer zu tragenden Aufwendungen.[209] Sach- und Transportgefahr liegen dagegen beim Verkäufer, wenn das Fahrzeug in seiner Werkstatt bzw. beim Transport durch ihn beschädigt wird oder untergeht.[210]

 

Rz. 94

Zu erstatten hat der Verkäufer als Kosten der Nacherfüllung auch grundsätzlich den Aufwand des Käufers zum Auffinden der Ursache.[211] Der Käufer ist jedoch gehalten, das Verbot der Selbstvornahme (siehe Rdn 99) zu beachten. Eigene Maßnahmen zur Fehlerfeststellung sind in der Regel nämlich erst erforderlich, wenn der Verkäufer einen Sachmangel oder Rechte hieraus bestreitet.[212] Die Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten oder Untersuchungskosten einer anderen Werkstatt ohne Nachfristsetzung (siehe Rdn 143) ist daher umstritten.[213] Der BGH[214] bejaht dies, betrachtet § 439 Abs. 2 BGB als eigene Anspruchsgrundlage und zwar sogar für den Fall, dass der Käufer nach dem erfolglosen Nachbesserungsverlangen und der Einholung des Gutachtens nicht Nacherfüllung, sondern Minderung gem. § 441 Abs. 1 S. 2 BGB (vgl. Rdn 199) geltend macht. Richtigerweise sollte danach differenziert werden, ob die Kosten der Feststellung der Ursache dienen (Untersuchungskosten einer Werkstatt) oder der Vorbereitung der Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen (Sachverständigengutachten).[215] Erwogen wird auch, die Erstattung auf die dem Verkäufer ersparten Kosten zu beschränken.[216]

Auch der "eigenmächtige" Transport des Fahrzeugs vom Käufer zum Verkäufer soll nicht erstattungsfähig sein, wenn dies nicht mit dem Verkäufer abgesprochen ist.[217]

[194] AG Wuppertal NJW-RR 1988, 1141.
[195] OLG Hamm zfs 1999, 60.
[196] AG Dülmen NJW 1987, 385; a.A. Bamberger/Roth/Faust, § 439 Rn 25 (nur bei Absprache mit Verkäufer).
[197] Reinking, zfs 2003, 57, 61.
[198] LG Oldenburg DAR 2016, 658; Palandt/Weidenkaff, § 439 Rn 11; Erman/Grunewald, § 439 Rn 8; Reinking/Eggert, Rn 3778; a.A. wohl Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 Rn 90.
[199] LG Regensburg, Urt. v. 4.1.2017 – 7 O 967/16, juris.
[201] BGH NJW 2011, 2278, 2281 Ziff. 37.
[202] Reinking, zfs 2003, 57, 61.
[203] Reinking/Eggert, Rn 786 ff.
[205] Soergel/Huber, § 476a BGB a.F. Rn 18.
[206] OLG Karlsruhe DAR 2005, 219; LG Aachen DAR 2003, 273; AG Aachen DAR 2003, 120.
[207] Reinking/Eggert, Rn 764.
[208] BGH NJW 2009, 1660; BGH DAR 2008, 697 m. Anm. Andreae; Palandt/Weidenkaff, § 439 Rn 11 m.w.N.
[209] Soergel/Huber, § 476a BGB a.F. Rn 15.
[210] Soergel/Huber, § 446 Rn 61; MüKo/Westermann, § 446 Rn 3; a.A. Reinking, DAR 2001, 8, 12 f.
[211] Palandt/Weidenkaff, § 439 Rn 11; BGH NJW 1991, 1604.
[212] Reinking/Eggert, Rn 759.
[213] Dagegen: MüKo/Westermann, § 439 Rn 17; dafür: BGH NJW-RR 1999, 813, 814 (zum Werkvertr...

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