Rz. 19

Allgemeine Anpreisungen in Inseraten oder auf Verkaufsschildern wie "Top Zustand" u.Ä. haben mehr werbenden als beschreibenden Charakter. Um hieraus ein Beschaffenheitsvereinbarung zu entnehmen, muss sich aus der Formulierung selbst und den gesamten Begleitumständen entnehmen lassen, dass der Verkäufer gerade für dieses Fahrzeug im Vergleich zu anderen Fahrzeugen dieses Alters von einem überdurchschnittlich guten Zustand bzw. von einem unterdurchschnittlich starken Verschleiß ausgeht.

Anpreisungen waren vor der Schuldrechtsreform (1.1.2002) im Rahmen der Zusicherungshaftung Gegenstand einer umfangreichen Rechtsprechung, die stets bezogen auf den Einzelfall zu unterschiedlichen Ergebnissen kam, in der Tendenz aber häufiger die Zusicherungsqualität verneinte (vgl. § 12 Rdn 9 ff.). Für Beschaffenheitsvereinbarungen, die einen Ausschnitt der Zusicherungen nach altem Recht darstellen,[47] behält diese frühere Rechtsprechung weitgehend Bedeutung, erst recht, wenn sich diese nicht auf gattungsmäßig, sondern individuell bestimmbare Eigenschaften beziehen (vgl. Rdn 276 f.).

 

Rz. 20

Eine weitere Entwicklung spricht ebenfalls dafür, nur in Ausnahmefällen und nur in eingeschränktem Umfang allgemeine Anpreisungen als Beschaffenheitsmerkmale zu bewerten:

 

Rz. 21

Für den Verbrauchsgüterkauf (Unternehmer an Verbraucher) ist ein Ausschluss der Mängelansprüche unzulässig (§ 475 BGB). Der Händler ist also darauf angewiesen, durch eine Beschaffenheitsvereinbarung vor allem bei alten, schadenanfälligen Fahrzeugen sein Haftungsrisiko zu verringern. Hier lässt die Rechtsprechung nur konkrete Zustandsbeschreibungen ausreichen da andernfalls der durch § 475 BGB beabsichtigte Verbraucherschutz durch allgemeine – negative – Hinweise auf Mängelrisiken unterlaufen werden könnte (siehe Rdn 17 ff.; § 14 Rdn 14 ff.). Umgekehrt müssen dann aber auch konsequenterweise allgemein gehaltene positive Hinweise ebenso aus dem Begriff der ausreichend zu konkretisierenden Beschaffenheitsvereinbarungen ausge­grenzt werden.

 

Rz. 22

Je allgemeiner die Anpreisung desto schwieriger ist diese Feststellung. Die Anpreisung "TOP Zustand" oder "100 % in Schuss" ohne Eingrenzung auf Motor, Karosserie oder Technik ist so pauschal, dass insbesondere bei älteren Fahrzeugen schwerlich eine verbindliche Beschaffenheitsvereinbarung angenommen werden kann, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten. Das muss für alle unbestimmten, nicht an individualisierenden technischen Eigenschaften des Pkw anknüpfende Anpreisungen gelten.[48]

 

Rz. 23

Der Formulierung "Technisch einwandfrei" dagegen kann durchaus auch mit vertraglichem Bindungswillen entnommen werden, dass der Pkw zumindest bei Übergabe technisch in Ordnung, betriebsbereit und verkehrssicher ist (vgl. § 12 Rdn 188 f.). Gleiches gilt für die Anpreisung "Fahrbereit"[49] oder "Zum sofortigen Gebrauch auf öffentlichen Straßen",[50] erst recht im Rahmen einer Internetauktion mit der Option "sofort kaufen".[51]

Die Mitteilung einer EU-Schadstoffnorm im Vertrag stellt keine Beschaffenheitsangabe dar, aufgrund derer der Käufer auf eine Einordnung in eine bestimmte Schadstoffklasse vertrauen darf.[52] In dem Hinweis auf eine positive Begutachtung nach § 23 StVZO (Oldtimer) liegt die Beschaffenheitsvereinbarung, dass das Fahrzeug sich in einem entsprechenden Zustand befindet.[53]

 

Rz. 24

 

Praxistipp

Allgemeine Anpreisungen wie "Tip Top" oder "Bestzustand" dürfen den Käufer nicht dazu verleiten, auf Untersuchung und Probefahrt zu verzichten, denn sie sind in der Regel rechtlich ohne Bedeutung, da sie zumeist weder als Beschaffenheitsvereinbarung noch als Garantieübernahme beurteilt werden können.

[47] OLG Stuttgart DAR 1986, 2318.
[48] LG Kleve NJW-RR 2005, 422; LG Saarbrücken zfs 2001, 115 f. – Zusicherungen.
[49] OLG Koblenz DAR 2002, 163, 169.
[50] OLG Köln DAR 2011, 260 m. Anm. Andreae.
[51] AG Erkelenz, Urt. v. 2.12.2004 – 14 C 498/03, n.v.

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