Rz. 32
Maßstab ist der technische Entwicklungsstand der gesamten Automobilindustrie und nicht des einzelnen Herstellers.[61] Der Vergleich hat in erster Linie stattzufinden mit typgleichen Fahrzeugen der gleichen Serie, bei Serienmängeln aber auch mit anderen Fahrzeugserien, die nach Zweckbestimmung und Fahrzeugklasse vergleichbar sind.[62] Dabei ist der Stand der Technik nicht zwangsläufig an der optimalen technischen Lösung ausgerichtet; denn für jedes technische Problem gibt es mehrere technische Lösungen, die noch vertragsgerecht sind. Abzustellen ist dabei auf den Erwartungshorizont eines Durchschnittskäufers,[63] also am Maßstab der Üblichkeit und der daraus resultierenden Erwartung des Käufers.[64] Insbesondere sind beim herstellerübergreifenden Vergleich auch die produktspezifischen Besonderheiten des angeblich mangelhaften Fahrzeugs zu berücksichtigen, die der Annahme einer Negativabweichung entgegenstehen können ("Segelfunktion" eines Porsche Boxter).[65]
Rz. 33
So muss ein Dieselmotor mit Partikelfilter im Kurzstreckenbetrieb nicht uneingeschränkt verwendbar sein, wenn dies nach dem Stand der Technik nicht zu vermeiden ist und aus demselben Grund auch die Kurzstreckeneignung der Fahrzeuge anderer Hersteller mit Partikelfilter in gleicher Weise beeinträchtigt ist.[66] Auch der gewerbliche Verkäufer muss auf die Nachteile eines Rußpartikelfilters auf der Kurzstrecke jedenfalls dann nicht hinweisen, wenn der Käufer eine Jahresfahrleistung von 31.000 km angibt und erklärt, dass er das Fahrzeug nicht für gewerbliche bzw. selbstständige Tätigkeit benötige.[67] Dieselfahrzeuge mit ECO-Technik (ohne Rußpartikelfilter) werden als mangelhaft bewertet, wenn sie für den überwiegenden Kurzstreckeneinsatz nicht geeignet sind und der Verkäufer hierauf nicht unaufgefordert hingewiesen hat.[68] Sorgt eine technische Vorrichtung (Software) dafür, dass im Prüfstand die Abgasreinigung vorgetäuscht wird, die im Alltagsbetrieb dann nicht stattfindet (VW-Abgasskandal), liegt ein Sachmangel vor.[69] Ein zeitweise hochdrehendes Automatikgetriebe wurde ebenfalls für mit dem Stand der Technik vereinbar gehalten,[70] ebenso Pendelschwingungen eines Motorrads bei Hochgeschwindigkeit[71] und ein geringfügiges Abweichen im Geradeauslauf.[72] Konstruktionsbedingte Besonderheiten und Eigentümlichkeiten eines bestimmten Fahrzeugtyps sind keine Mängel, solange die Gebrauchstauglichkeit nicht beeinträchtigt ist[73] (vgl. auch § 12 Rdn 181), auch nicht bei Luxusfahrzeugen.[74] Bei preisgünstigen Fahrzeugen muss eher mit Komforteinbußen gerechnet werden, wie z.B. mit starken Geräuschen.[75] Wassereintritt beim Öffnen der hinteren Türen aufgrund der Karosserieform ist als Mangel beurteilt worden,[76] ebenso ein Ruckeln beim Herabschalten eines Automatikgetriebes eines Premium-Fahrzeugs der gehobenen Mittelklasse[77] und Vibrationen der Karosserie eines Neufahrzeugs bei bestimmten Betriebsbedingungen.[78]
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