Rz. 296

Die Anfechtung wegen Erklärungsirrtums (§ 119 Abs. 1 BGB) ist zulässig, z.B. wenn der Käufer darüber geirrt hat, dass er überhaupt ein Fahrzeug gekauft hat. Eine Anfechtung wegen Inhaltsirrtums gem. § 119 Abs. 2 BGB ist dagegen nach h.M.[736] jedenfalls ab Gefahrübergang ausgeschlossen; nach Ansicht von Faust[737] dagegen ist auch diese Anfechtung durch das Sachmängelhaftungsrecht nicht beschränkt.

 

Rz. 297

Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) steht dem Käufer nach einhelliger Auffassung frei.[738] Er nimmt dem Verkäufer damit zwar das Recht der Nacherfüllung, was jedoch mit Rücksicht auf die Arglist des Verkäufers unbeachtlich ist[739] (vgl. Rdn 160). Ein Fehlverhalten des Lieferanten muss sich der Verkäufer nur bei Kenntnis von der Täuschung zurechnen lassen, was beim VW-Abgasskandal i.d.R. nicht darstellbar ist.[740] Das kann anders zu beurteilen sein, wenn der Verkäufer eine Konzerntochter ist (vgl. Rdn 286).[741]

 

Rz. 298

Der Käufer muss bei der Wahl des Rechtsmittels berücksichtigen, dass die Anfechtung zur rückwirkenden Nichtigkeit des Kaufvertrags führt (§ 142 BGB) mit der Folge, dass vertragliche Sachmängelhaftungsansprüche aus § 437 BGB nicht mehr geltend gemacht werden können. Schadensersatz kann dann nur noch – beschränkt auf den Vertrauensschaden (negatives Interesse) – über c.i.c. (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 1 BGB, vgl. Rdn 300) geltend gemacht werden.[742] Im Übrigen bestehen geringe Unterschiede bei der Rückabwicklung nach den Rücktrittsbestimmungen einerseits (§ 346) und den Bereicherungsbestimmungen andererseits (§ 812 BGB), deren Angleichung jedoch insbesondere für das Entfallen der Wertersatzpflicht bei Untergang der Kaufsache durch eine analoge Anwendung des § 346 Abs. 3 S. 3 BGB auf das Bereicherungsrecht vorgeschlagen wird.[743] Im Übrigen wird die Umdeutung einer Anfechtungserklärung in einen Rücktritt gemäß § 140 BGB für zulässig gehalten.[744]

[736] Reinking/Eggert, Rn 4471 ff. m.w.N.; BT-Drucks 14/6040, 210; vgl. auch Bamberger/Roth/Faust, § 437 Rn 177 m.w.N.
[737] Bamberger/Roth/Faust, § 437 Rn 182.
[738] Palandt/Weidenkaff, § 437 Rn 54; LG Gießen NJW-RR 2005, 493.
[739] Bamberger/Roth/Faust, § 437 Rn 184.
[740] LG Bielefeld NJW-RR 2017, 117.
[741] LG München I DAR 2016, 389.
[742] OLG Saarbrücken NJW-RR 2010, 125.
[743] Freund/Stölting, ZGS 2002, 182.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge